1994 - Der letzte General
erst vor wenigen Tagen interviewt. Sie wollte ihm nicht begegnen. Wahrscheinlich würde er sie sofort hinauswerfen lassen, wenn er sie sah. Katie öffnete eine Tür, verließ den Gang und betrat. einen großen, langgestreckten Raum mit einem ovalen Tisch in der Mitte. Sämtliche Plätze am Tisch waren besetzt. Einige Menschen wandten ihr das Gesicht zu.
Katie Joanne hatte das Gefühl, ins Schwerelose geraten zu sein. Am liebsten hätte sie sofort den Rückzug angetreten, doch das konnte sie nicht. Geistesgegenwärtig berührte sie einen Sensor an ihrem Gürtel. „Wie kommst du denn hierher?" fragte Paola Daschmagan zornig. Die Erste Terranerin saß an prominenter Stelle des Tisches und leitete die Besprechung. „Ich ...", begann Katie Joanne, kam jedoch nicht weiter. Auf einen befehlenden Wink der Ersten Terranerin trat einer der Männer an sie heran, packte sie an der Schulter, wirbelte sie herum und beförderte sie mit einem kräftigen Stoß auf den Gang hinaus, wo sie beinahe mit Cohan Oghill zusammenprallte. „Katie?" rief er überrascht. „Wer hat dir erlaubt, dich hier aufzuhalten? Dieser Bereich ist zur Zeit für alle Pressevertreter streng verboten."
„Das stimmt, ist aber nicht richtig", versetzte sie geistesgegenwärtig, nachdem sich die Tür zum Konferenzraum wieder geschlossen hatte. „Ich meine, die Öffentlichkeit hat gerade in einer so gefährlichen Krise das Recht auf Information. Ich bezweifle, dass Paola Daschmagan oder irgendjemand aus ihrem Kabinett weiß, was die Menschen da draußen fühlen und denken. Daher würde ich gern aus dem Herzen des HQ-Hanse berichten."
„Unsinn!" fuhr er sie an. „Wir gehen davon aus, dass Ramihyn die Erde überwacht, also beispielsweise alle Fernsehsendungen von Sol Tel empfangen kann. Es wäre ja geradezu Selbstmord, wenn wir direkt von den Entscheidungen berichten würden, die hier getroffen werden." Der Erste Sprecher Terras überlegte kurz, dann führte er sie zusammen mit den beiden Ordnern zu einem Raum, der im Stockwerk darüber lag und in dem sich niemand aufhielt. „Warte hier!" bat er sie. „Sobald ich Informationen für dich habe, die an die Öffentlichkeit gelangen dürfen, bringe ich sie dir."
„Danke", sagte sie und gönnte ihm ein freundliches Lächeln, das nichts von dem erkennen ließ, was sie über ihn dachte. Katie Joanne ließ sich nicht täuschen. Er suchte mit ihrer Hilfe die Öffentlichkeit, um sich ins Gespräch zu bringen und sich seinen Wählern als politische Kraft zu empfehlen. Sie sollte Werkzeug für ihn sein. Nicht mehr und nicht weniger.
Als die Ordner und er den Raum verlassen hatten, nahm sie einige Schaltungen an ihrem Armsyntron vor. Mit Hilfe der Holos, die sich vor ihren Au, gen aufbauten, und der Minaturkamera, die sie im Sitzungssaal zurückgelassen hatte, konnte sie die von Paola Daschmagan geleitete Konferenz verfolgen. Ihre Kamera war nicht viel größer als ein Stecknadelkopf, und sie schwebte dicht unter der Decke des Raumes, wo sie so leicht nicht entdeckt werden konnte. Der Kontakt zu Katie Joanne lief über eine ganz primitive Funkleitung, von der sie hoffte, dass sie aufgrund des geringen Energiebedarfs nicht so schnell geortet werden konnte. Vielleicht auch gar nicht, hoffte sie, die haben jetzt anderes zu tun.
Katie Joanne nahm Über ihren Armbandsyntron. eine energiestarke Verbindung mit Sol Tel auf. Sie erreichte Mia Au-Phanell und erklärte ihr die Situation. „Das ist eine einmalige Gelegenheit", freute sich die Chefin vom Dienst. „Wir gehen sofort auf Sendung. Alles andere kläre ich mit der Chefredaktion und der Rechtsabteilung. Die Öffentlichkeit muss erfahren, was im HQ-Hanse entschieden wird. Dass dieser Ramihyn mithören wird, halte ich für ausgeschlossen." Katie Joanne nahm die nächste Schaltung an ihrem Syntron vor, und damit begann die direkte Übertragung der Besprechung. „Wir haben keine andere Wahl", sagte Paola Daschmagan in diesem Augenblick. „Wir können nicht länger warten. Wir greifen WAVE an. Ich gebe Zorn Jynthasso freie Hand. Alles weitere liegt jetzt bei ihm."
Sie nahm Verbindung zur MARTINUS auf, und wenig später erschien das Holo des letzten Generals im Konferenzraum. „Angreifen!" befahl die Erste Terranerin. „Die Kosmische Fabrik darf sich der Erde nicht noch weiter nähern." Im gleichen Moment fiel Katie Joannes Kamera aus. Die Tür öffnete sich, zwei Männer stürzten sich auf sie, rissen ihr den Syntron vom Arm und unterbrachen die Verbindung zu Sol
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