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1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

Titel: 1994 Jagdzeit in Deutschland (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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mit«, sagte Kämmerer.
    »Nein, das lehne ich ab. Es bleibt beim Mitschreiben, und denken Sie auch an einen größeren Bogen Papier, damit ich Ihnen aufzeichnen kann, wo wir Tilmann Kämmerer begraben haben.«
    Sie gaben ihm die Zeit, gingen ins Wohnzimmer. »Jetzt muß auch ich«, sagte Kämmerer, »ein Telefongespräch führen. Sie hören bitte mit, ja? Aber wundern Sie sich nicht über das Lügengebäude, das ich errichten werde. Es ist nötig, weil wir Zeit brauchen.«
    Sie schaltete den Verstärker ein. Das Haftplättchen am Ende des Kabels saß noch auf dem Hörer.
    Er zog Granzows Karte aus der Brieftasche und wählte. Es meldete sich die Kriminalpolizei. Er bat, mit Hauptkommissar Granzow verbunden zu werden, fügte hinzu, es handele sich um den Mord an dem Stasi-Major Kopjella.
    »Und wie ist Ihr Name?«
    »Kämmerer.«
    Er wurde verbunden. Ohne Begrüßung legte der Kommissar los: »Mann Gottes, tage- und nächtelang warte ich auf Ihren Anruf! Kommen Sie sofort hierher, nein, nicht hierher, sondern gleich ins Präsidium! Dort …«
    »Herr Granzow, ich werde mich beeilen, so sehr ich kann, aber im Moment bin ich noch in Berlin. Einen Platz im Flugzeug hab’ ich leider nicht mehr gekriegt. Es wird also die Elsenbahn. Ich verspreche Ihnen. Sobald der Zug in Hamburg ist, fahre ich vom Bahnhof direkt ins Präsidium, trotz des Sonntags.«
    »Ich habe auch keinen Sonntag. Was machen Sie denn in Berlin?«
    »Na, Sie wissen doch! Ich jage von Amt zu Amt und schlage mich mit sturen Bürohengsten herum. Nach zwei Tagen Leerlauf, weil jetzt Wochenende ist, sollte es morgen weitergehen, aber vorhin las ich in der Zeitung von Kopjellas Ermordung. Also beschloß ich, sofort nach Haus zu fahren.«
    »In welchem Hotel sind Sie?«
    »In keinem. Ich habe bei Freunden in Charlottenburg gewohnt, in der Spandauer Straße , bin da aber schon weg und stehe jetzt am Bahnhof in einer Telefonzelle, muß auch leider Schluß machen. Mein Zug geht in wenigen Minuten. Also, ich melde mich dann sofort. Auf Wiedersehen!«
    Er legte ganz schnell auf.
    »Wo haben Sie bloß gelernt, so unglaublich souverän die Wahrheit zu umgehen?« fragte Frau Engert.
    »Die Not ist ein guter Lehrmeister. Und wir sind in Not, dürfen uns um keinen Preis die Chance entgehen lassen, alle Informationen zu bekommen, die wir haben wollen.«
    Sie nickte, und dann sagte sie:
    »Sie haben recht. Wenn unser Mann erst mal bei denen ist, haben wir womöglich keinen Zutritt mehr. Und wer weiß, vielleicht schafft er’s, ihnen wieder wegzulaufen, und verschwindet auf Nimmerwiedersehen. Könnte doch sein, daß wir als Wächter ’ne Nummer besser sind als die.«

39
    Das Essen hatte ihm gutgetan. Er fühlte sich gestärkt. – Freundschaft, dachte er, ist Liebe mit Verstand. Irgend jemand hat das mal gesagt, aber ich weiß nicht mehr, wer. Er hat recht. Bei der Liebe zu einer Frau ist der Verstand schnell weg, und wenn er sich, sobald der Rausch verflogen ist, zurückmeldet, geht oft genug die Liebe in die Brüche. Die Freundschaft dagegen ist eine haltbare Verbindung.
    Also, Frank, du kannst dich auf mich verlassen. Wahrscheinlich liefert Kämmerer mich aus. Dann hat die Justiz das Wort, und es wird heißen, zwei Jahre, drei oder noch mehr. Aber sie alle, die sich unsere Kameraden nannten, nehme ich mit, an erster Stelle ihn! Ich versprech’ es dir. Er schloß die Augen …
    Öbisfelde an der Aller, nicht weit entfernt von der Grenze zur BRD. Das Gespann Kopjella/Schmidtbauer hatte Hermann Malowski zu überwachen, einen Magdeburger Verwaltungsbeamten, von dem das MfS bereits wußte, daß er für den Bundesnachrichtendienst arbeitete. Jetzt kam es nur noch darauf an, ihn bei der Aktenübergabe zu stellen.
    Er, Schmidtbauer, damals ganz am Anfang seiner Laufbahn, hatte die Zeit zwischen zwanzig Uhr und Mitternacht übernommen. Unterdessen schlief Kopjella in einem in der Nähe abgestellten Wohnwagen. Malowski, ihnen mit seiner gelben Windjacke, seiner schwarzen Hose und den schmuddelig-weißen Turnschuhen seit zwei Tagen ein vertrauter Anblick, würde vermutlich in dieser Nacht mit einem kleinen Koffer oder einer Aktentasche aus seinem Hotel herauskommen. Sobald das geschah, war Kopjella über Funk zu benachrichtigen.
    Er hatte sich hinter einer Baubude verschanzt, in der Jacke das Funkgerät und in der Hand das Nachtglas, das er sich in kurzen Abständen vor die Augen schob, um das Hotel unter Kontrolle zu haben.
    Um fünf Minuten nach elf stand der Mann, wieder in

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