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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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ermahnte es mit einem gereizten Gesichtsausdruck. Man konnte durch die Scheibe sehen, wie sie den Mund bewegte. Die gleiche Szenerie wie vor zehn Minuten. In diesen zehn Minuten war der Wagen keine zehn Meter vorangekommen.
    Aomame überdachte die Lage. Im Geiste ordnete sie verschiedene Punkte nach ihrer Priorität. Es dauerte nicht lange, bis sie zu einem Entschluss kam. Auch das Stück von Janáček erreichte – wie im Einklang mit ihr – den letzten Satz.
    Aomame nahm eine kleine Ray-Ban-Sonnenbrille aus ihrer Umhängetasche. Dann zog sie drei Tausend-Yen-Scheine aus ihrem Portemonnaie und reichte sie dem Fahrer.
    »Ich steige hier aus«, sagte sie. »Ich darf nicht zu spät kommen.«
    Der Fahrer nickte und nahm das Geld in Empfang. »Quittung?«
    »Nein, danke. Und der Rest ist für Sie.«
    Der Fahrer bedankte sich. »Es scheint ziemlich windig zu sein, also nehmen Sie sich in Acht. Nicht dass Sie ausrutschen.«
    »Danke«, sagte Aomame.
    »Also dann«, sagte der Fahrer in den Rückspiegel. »Ich möchte Ihnen noch etwas mit auf den Weg geben: Die Dinge sind meist nicht das, was sie zu sein scheinen.«
    Die Dinge sind nicht, was sie zu sein scheinen, wiederholte Aomame bei sich. Sie runzelte leicht die Stirn.
    »Was meinen Sie damit?«
    Der Fahrer sprach sehr nachdrücklich. »Also, Sie werden jetzt etwas Ungewöhnliches tun, nicht wahr? Am helllichten Tag über eine Treppe von der Stadtautobahn hinuntersteigen. Das ist etwas, was normale Menschen nicht tun. Insbesondere Frauen nicht.«
    »Wahrscheinlich nicht«, sagte Aomame.
    »Wenn man so etwas tut, kann es sein, dass einem der Alltag anschließend ein wenig – wie soll ich sagen – verschoben erscheint. Verglichen mit sonst. Ich habe diese Erfahrung selbst schon gemacht. Aber man darf sich nicht vom äußeren Schein täuschen lassen. Es gibt immer nur eine Realität.«
    Aomame dachte über die Worte des Fahrers nach. Unterdessen endete das Stück von Janáček, und Applaus setzte ein. Wo das Konzert wohl aufgenommen worden war? Der Beifall war anhaltend und stürmisch. Dazwischen ertönten Bravorufe. Aomame stellte sich vor, wie der Dirigent sich immer wieder lächelnd vor dem stehenden Publikum verneigte. Er hob das Gesicht und die Hände, schüttelte dem Konzertmeister die Hand, wandte sich nach hinten und wies mit beiden Händen lobend auf die Orchestermitglieder, wandte sich wieder nach vorn und verbeugte sich abermals tief. Der Beifall im Radio schwoll an und ab, und sie hatte das Gefühl, einem endlosen Sandsturm auf dem Mars zu lauschen.
    »Es gibt immer nur eine Realität«, wiederholte der Taxifahrer langsam, als würde er eine besonders wichtige Zeile in einem Dokument unterstreichen.
    »Natürlich«, sagte Aomame. Selbstverständlich. Einen Körper, eine Zeit, einen Raum. Einstein hatte es ja bewiesen. Die Realität war ein unendlich rigoroses und unendlich einsames Ding.
    Aomame zeigte auf die Stereoanlage. »Sie hat wirklich einen guten Klang.«
    Der Fahrer nickte. »Wie war noch mal der Name des Komponisten?«
    »Janáček.«
    »Janáček«, wiederholte der Fahrer, als würde er sich ein wichtiges Passwort merken. Dann zog er an dem Hebel und öffnete die automatische hintere Tür. »Seien Sie vorsichtig. Ich hoffe, Sie schaffen es noch pünktlich zu Ihrem Termin.«
    Ihre große lederne Umhängetasche in der Hand, stieg Aomame aus. Der Applaus im Radio dauerte noch immer an. Vorsichtig ging sie auf den Pannenstreifen am Rand der Schnellstraße zu, der nur zehn Meter vor ihr lag. Sooft auf der Gegenfahrbahn ein großer Lastwagen vorbeifuhr, bebte die Straße unter ihren hohen Absätzen. Eigentlich war es eher ein Schwanken. Sie fühlte sich wie an Deck eines Flugzeugträgers auf stürmischer See.
    Das kleine Mädchen in dem roten Suzuki Alto steckte den Kopf aus dem Beifahrerfenster und beobachtete Aomame mit aufgerissenem Mund. Dann wandte es sich an seine Mutter. »Mama, Mama, was macht die Frau da? Wo geht die hin? Ich will auch laufen. Mama, ich will raus. Mama!«, verlangte die Kleine laut und gebieterisch. Die Mutter schüttelte nur stumm den Kopf. Dann warf sie Aomame einen vorwurfsvollen Blick zu. Aber das war die einzige Stimme, die sich in der Umgebung erhob, die einzige Reaktion, die ihr auffiel. Die anderen Fahrer stießen nur den Rauch ihrer Zigaretten aus, hoben leicht die Augenbrauen und verfolgten, als könnten sie ihren Augen nicht trauen, die Gestalt, die ohne zu zögern zwischen den Wagen und der Leitplanke

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