2 Die Connor Boys: Lieb mich hier und jetzt
ist oder..."
„Das macht nichts. Ich finde schon etwas."
Weiß der Teufel, wo sie enden würde, wenn er sie jetzt gehen ließe. Er würde wahnsinnig werden vor Sorge, nun, wo er wusste, dass sie eine unverbesserliche Romantikerin war, die keine Ahnung von Männern hatte. Vorher hatte er nur angenommen, dass sie in Schwierigkeiten geraten könnte, jetzt war er hundertprozentig davon überzeugt. „Ich weiß, du hast keinen Grund, mir zu vertrauen. Aber ich verspreche dir, dass so etwas nicht noch einmal vorkommt, wenn du hier bleibst."
Eine Stunde später schloss Samantha hinter sich die Tür des blau en Schlafzimmers, zog sich aus und schlüpfte in ihr weites Nachthemd. Kaum lag sie im Bett und hatte das Licht gelöscht, da füllte sich das Zimmer mit unheimlichen Schatten und Geräuschen. Die Wand mit den eingebauten Bücherregalen knarrte. Die Fußbodendielen ächzten wie unter dem Gewicht schwerer Tritte. Und ein kühler Lufthauch berührte ihre Haut.
Samantha ignorierte all das - schließlich war sie schon immer übersensibel gewesen, und außerdem war sie ja gerade deswegen hier. Sie stieg aus dem Bett, nahm die Lotusposition ein, schloss die Augen und konzentrierte sich darauf, den Kopf von allen Gedanken zu befreien.
Auf dem Flur hörte sie Seth leise von seinem Zimmer zur Toilette und zurück gehen. Mit ebenso leiser Stimme sprach er zu Jezebel. Dann folgte das Geräusch einer sich schließenden Tür und das Drehen eines Schlüssels - und zwar so demonstrativ laut, dass sie es wahrscheinlich hören sollte. Seth gab sich wirklich Mühe, sie wissen zu lassen, dass ihre Tugend bei ihm nicht in Gefahr war.
Ihre so genannte Tugend war nie in Gefahr gewesen. Sie hatte schon früh gelernt, nein zu sagen, weil das ihre einzige Waffe ge gen allzu aufdringliche und berechnende Männer war. Selbst die nettesten hatten diesen gewissen Blick in den Augen, wenn sie die Schwelle der Adams überschritten. Es war nicht die Schuld ihrer Familie, dass sie Geld und Einfluss besaßen, aber Samantha hatte dadurch recht schnell jede Naivität verloren. Bereits vor Joe hatte es unzählige Bewerber gegeben, dennoch war es Samantha nie schwer gefallen, ihre Unschuld zu bewahren. Es war zwar nie ihr Ziel gewesen, keusch zu bleiben - im hohen Alter von siebenundzwanzig war es eher peinlich, noch Jungfrau zu sein -, aber die Angst, ausgenutzt zu werden, ließ sich nicht so leicht abschütteln.
Und sie war erst einem Mann begegnet, bei dem diese Angst ihr nicht ein einziges Mal in den Sinn gekommen war.
„Du denkst an Seth, was, mein Mädchen?"
Sie hörte eine raue, männliche Trinkerstimme und kratzte sich gereizt die Nase. Das Meditieren klappte noch nicht ganz, wie es sollte. Das Beste war, sich noch mehr auf ihr Atmen zu konzentrieren und einfach die Unterbrechungen ihrer Phantasie hinzunehmen.
,,Du. hast ihn gewollt, oder nicht, Liebchen? Ich hab' euch beide gesehen da draußen am Wasser. Du hast ihn wie verrückt gewollt, ich hab' doch recht? Du hast an ihm geklebt wie Butter aufm Brot. Ich weiß, was man euch Frauen so rät, aber du musst dich bei ihm nicht zieren. Ein richtiger Mann mag das nicht, und bei allen Heiligen, er ist ein richtiger Mann. Stark und ehrlich. Er würde auf dich aufpassen, er würde..."
Samantha öffnete nur kurz ein Auge und versank dann wieder in ihre Atemübung. Ihre Phantasie präsentierte ihr normalerweise keine Monologe mit schottischem Akzent, aber es war nicht schwer zu erraten, woher das kam. Sie hatte sich Seth regelrecht an den Hals geworfen. Sie wusste zwar nicht, was dieses völlig untypische Verhalten bei ihr ausgelöst hatte, aber es war ziemlich demütigend, sich wie eine ausgehungerte Nymphomanin benommen zu haben, und das auch noch bei einem Mann, dem es hinterher leid tat, dass er sie geküsst hatte. Sie hatte sich immer noch nicht darüber beruhigt, und die Übungen sollten eigentlich ihre Gedanken ablenken. Also würde sie damit weitermachen, komme, was da wolle.
„Er braucht dich, Mädchen. Er ist einsam. Ich kenn' natürlich seine Probleme nicht, aber was ich dir sagen kann, ist, dass er nicht allein damit fertig wird. Er ist ein liebevoller Mann. Das kannst du in allem sehen, was er tut, aber selbst eine starke Eiche verdorrt, wenn Regen und Sonne fehlen. Du könntest ihm viel geben, mein Mädchen, wirklich viel geben."
Mit einem Stirnrunzeln öffnete Samantha diesmal beide Augen. Es war natürlich niemand im Raum. Die Versuchung war groß, die Stimme einfach einem
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