2 Die Rinucci Brüder: Mein zärtlicher Verrführer
sollen …“
„Kein Wort wird über meine Lippen kommen“, versprach er. „Ich schwöre, niemals werde ich Primo Rinucci verraten, was ich gerade erfahren habe.“
„Danke. Aber Sie müssen vorsichtig sein, denn wir wissen nicht, wie er aussieht. Vielleicht sprechen Sie auf einmal mit jemandem, ohne zu ahnen, dass er es ist. Ihm traue ich zu, dass er sich nicht zu erkennen gibt und die Leute erst einmal aushorcht.“
„Ja, das ist möglich“, antwortete er etwas schuldbewusst.
„Andererseits würde man ihn als Italiener wahrscheinlich sogleich erkennen.“
„Nicht unbedingt.“ Den Einwand konnte er sich nicht verbeißen. „Nicht alle Italiener sind so, wie man es ihnen im Allgemeinen unterstellt oder wie man sie sich vorstellt. Einige kann man beispielsweise von Engländern auf den ersten Blick nicht unterscheiden.“
Ihr fiel nicht auf, wie ironisch seine Stimme klang, denn sie war zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. „Aber sein Akzent würde ihn verraten.“
Der Mann räusperte sich, während er mit sich selbst kämpfte. Die Versuchung, das Spiel noch nicht zu beenden, war sehr groß. Ihm war natürlich klar, dass es klüger wäre, ihr die Wahrheit zu sagen, ehe es zu spät war.
Nein, dieses eine Mal wollte er nicht vernünftig sein, und außerdem war es schon zu spät. „Übrigens, ich habe Sie noch gar nicht gefragt, wie Sie heißen“, erklärte sie plötzlich.
„Wie bitte?“ Er versuchte, Zeit zu gewinnen.
„Wie heißen Sie?“ Olympia blickte ihn so nachsichtig an, als wäre er schwer von Begriff. „Ach so.“ Krampfhaft überlegte er, ob er ihr seinen richtigen Namen nennen sollte. Nein, vergiss es, sagte er sich dann und atmete tief ein. „Ich bin Jack Cayman.“
So hatte sein englischer Vater geheißen. Primo Rinucci, denn um keinen anderen handelte es sich hier, lebte schon lange in Italien und hatte den Familiennamen seiner verstorbenen Mutter angenommen. Doch weil er bis zum Tod seines Vaters in England gelebt hatte, sprach er akzentfrei Englisch.
Olympia reichte ihm die Hand. „Gut, Mr. Cayman …“
„Nennen Sie mich doch Jack“, unterbrach er sie.
„Und ich bin für Sie Miss Lincoln“, betonte sie energisch, um sich nach ihrem unbeherrschten Ausbruch wieder Respekt zu verschaffen.
„Natürlich“, antwortete er höflich.
„Es gibt viel zu tun, lassen Sie uns anfangen.“
„Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment?“, fragte er. „Ich bin gleich wieder da.“
„Selbstverständlich. Am Ende des Flurs rechts.“
„Danke.“ Er eilte zur Tür hinaus. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass Olympia offenbar der Meinung war, er hätte zur Herrentoilette gewollt.
Ausgerechnet an diesem so wichtigen Tag kam Cedric Tandy eine halbe Stunde zu spät ins Büro, obwohl er normalerweise vor allen anderen eintraf.
„Es tut mir leid, Signor Rinucci“, entschuldigte er sich, als er Primo erblickte, der in seinem Büro a uf ihn wartete. „Ich versichere Ihnen …“
„Ach, das macht doch nichts“, fiel ihm Primo freundlich ins Wort. „Ich wollte mich nur kurz mit Ihnen unterhalten.“
„Ich könnte Sie herumführen und vorstellen“, schlug Cedric vor.
„Das machen wir später. Ich habe mir die Vereinbarung, die Enrico und ich mit Ihnen getroffen haben, noch einmal durchgelesen und muss sagen, wir waren ziemlich knauserig. Sie haben eine wesentlich höhere Abfindung verdient.“
„Oh, das freut mich. Aber Signor Leonate hat erwähnt, Sie könnten nicht mehr bezahlen …“ „Das werde ich schon regeln. Wenn er mit meinem Vorschlag nicht einverstanden ist, bezahle ich die Abfindung selbst.“ Während Primo zur Tür ging, drehte er sich um. „Übrigens, vorerst soll niemand wissen, wer ich bin. Ich habe mich als Jack Cayman vorgestellt, damit die Leute offener mit mir reden und ich mehr erfahre. Ich bin sicher, Sie unterstützen mich dabei.“
„Sie können sich auf mich verlassen.“
Olympia saß am Computer und blickte auf, als Primo hereinkam. „Hier, diese Akten sollten Sie durchlesen und sich einen Überblick darüber verschaffen, wie Curtis und Leonate seit einem Jahr zusammenarbeiten.“
„Die Zusammenarbeit fing schon vor fünfzehn Monaten an, als Curtis ein neuartiges Zusatzgerät für Computer herstellen wollte“, wandte Primo ein.
„Ausgezeichnet“, lobte sie ihn und stand auf. „Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht. Setzen Sie sich. Kennen Sie sich damit aus?“, fragte sie und wies auf den Computer.
„Ja, ich glaube, ich
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