2:0 für Oma
Kinder beim Hexer, und nun hatte er genug Hilfen. Wie ein König saß er in seinem Bett und erteilte Befehle. Die Kinder hatten sich die Aufgaben geteilt. Brigitte übernahm die Krankenpflege. Sie gab ihm Medizin, machte kalte Umschläge auf die Stirn und massierte das kranke Bein. Maria fütterte die Hühner und melkte unter Gesang die Kühe, was sie von Frieder gelernt hatte und nun schon gut konnte. Außerdem wurde sie geholt, wenn die anderen mit dem Hexer nicht fertig wurden. Sie schnauzte ihn dann mit ihrer rauhen Stimme an:
„Was — du nicht wollen deine Medizin nehmen, ‘ exer ? No? Willst dir wohl immer und immer bedienen lassen. Dann gehen wir aber sofort alle weg, si, wollen nicht alte, dumme Mann bedienen, basta!“
Der Hexer grinste, sagte: „Basta!“, schluckte seine Tabletten und verzog das Gesicht. „Aber die sind so bitter, habt ihr nicht was, das besser schmeckt für einen armen, alten Mann?“
„Ach du, stell dir nicht so an!“ fauchte Maria und verschwand wieder im Kuhstall.
Peter und Alessandro sägten Holz, das der Hexer gesammelt hatte, und hackten es zu Scheiten. Jan, Mario und Peppino reparierten den kaputten Zaun. Rolf hatte vielleicht die wichtigste Aufgabe. Er mußte den Hexer bei guter Laune halten. Am ersten Tag war er an das Bett des Mannes getreten und hatte stolz verkündet: „Ich habe auch mal ein Loch im Kopf gehabt!“ Er lüpfte den Trapperhut und zeigte die Narbe an der Stirn.
„ Mmm “, brummte der Hexer und fragte eifersüchtig: „Warst du denn auch bewußtlos?“ Als Rolf den Kopf schüttelte, meinte er stolz: „Dann war es keine Gehirnerschütterung wie bei mir!“
„Erzähl von der ‚ Schütterung ’“, sagte Rolf.
Der Hexer erzählte, und Rolf hörte ihm atemlos zu. Von da an waren sie Freunde. Rolf führte ihm nach und nach alle seine Hüte vor und bekam schließlich vom Hexer einen afrikanischen Negerkopfputz aus Leopardenfell und Federn geschenkt, der allerdings schon von Motten zerfressen war. Der Hexer erzählte Rolf nicht nur von seiner Verletzung, sondern auch von dem Leben in Afrika. Als die anderen das merkten, setzten sie sich nach der Arbeit dazu und lauschten auch. Er erzählte aufregende Geschichten von seiner Zeit als Wildhütergehilfe in Uganda, von Löwen, Nashörnern und Elefanten, wie ihn ein wilder Büffel überrannt und ihm das Bein kaputtgetreten hatte, von den Negern, die seine Freunde waren, und wie er von ihnen das Hexen gelernt hatte. „Richtig Hexen?“ fragte Rolf mit großen Augen.
Der Hexer nickte. „Wenn ich wollte, könnte ich euch alle in Eichhörnchen verwandeln!“
Maria schnaufte verächtlich. „Mamma mia — wie diese Mann lügen!“
„Aber warum bist du denn wieder nach Deutschland zurückgekommen, wenn es in Afrika so toll ist?“ fragte Peter.
Der Hexer brummte böse: „Das ist eine besondere Geschichte. Da war so ‘n hoher Regierungsboß , der hat Elefanten gejagt, auch in unserem Naturpark, obwohl es da verboten war, aber er war scharf auf das Elfenbein. Und da hab ich ihn mal erwischt und halb totgeprügelt. Aber die blöden Kanaillen von der Polizei haben gesagt, ich hätte ihn anzeigen müssen, aber nicht verhauen, und sie haben mich vom Wildpark entlassen, und kein anderer Tierpark hat mich mehr aufgenommen.“
Von dieser Geschichte waren die Kinder tief beeindruckt, und der Hexer schien ihnen ein Held zu sein. Aber als sie Frieder die Sache erzählten, grinste der. „Mein Vater ist hier ja Bürgermeister und weiß, warum sie den Hexer in Afrika entlassen haben, nämlich weil er zu viel gesoffen hat. Das war der Grund! Aber die Sache mit dem Büffel stimmt wirklich. Der hat ihm sein Bein kaputtgemacht, und deshalb kriegt er auch ‘ne Rente. Aber sonst — glaubt dem bloß nicht zuviel. Der lügt wie gedruckt!“
Von nun an waren die Geschichten des Hexers noch spannender, weil man nie genau wußte, was daran wahr und was ausgedacht war.
Sein Haar und der Bart wurden immer dichter und länger, und bald konnte man von dem Gesicht nur noch die listigen kleinen Äuglein und die rote Nase sehen. Die Nonna erschien eines Tages mit einer großen Schere. „Ich Haare schneiden, subito, si!“
Aber das erste Mal konnte sie sich beim Hexer nicht durchsetzen. Er schrie wie ein verwundeter Stier: „Bleib von meinen Haaren weg, Weib! Meine Haare sind meine Privatangelegenheit, die gehen dich nichts an!“
Er sah so böse aus, daß die Nonna die Schere seufzend wieder in ihren Einkaufskorb legte.
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