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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sehweite des menschlichen Auges in Betracht zog, so war es gar nicht schwer, wenigstens ungefähr zu bestimmen, wo der betreffende Ort zu suchen sei. Ihre Aufmerksamkeit war flußaufwärts gerichtet, also mußte ich, wenn ich sie sehen wollte, ohne von ihnen bemerkt zu werden, mich nach einem abwärts von ihnen liegenden Uferpunkt begeben.
    Als ich dies meinem Hadschi erklärt hatte, ritten wir nach der angegebenen Richtung einen Halbkreis, welcher uns an den Fluß führte. Dort stiegen wir ab, ließen die Pferde stehen und drangen durch die Büsche bis zum Wasser vor. Da sahen wir aufwärts von uns eine von dem Ufer gebildete Landzunge, an welcher, von der Hütte ab-, uns jetzt aber zugewendet, das Floß der Perser angebunden war; diese drei selbst aber lagen nicht weit davon am Rand des Schilfs und schienen, wie aus ihren Gestikulationen zu sehen war, eine sehr lebhafte Unterhaltung zu führen.
    „Sihdi, dein Scharfsinn hat, wie so oft, auch hier ganz genau das Richtige getroffen“, sagte Halef. „Die Kerle befinden sich grad da, wo du es vermutet hast. Ich möchte am liebsten hingehen und in der Sprache der Peitsche mit ihnen reden.“
    „Dazu gibt es jetzt keinen Grund“, antwortete ich. „Wenn du in dieser Weise mit ihnen reden willst, müssen wir ihnen beweisen können, daß sie Feindseliges gegen uns vorhaben, und diese Beweise fehlen uns noch.“
    „Sie fehlen uns nicht. Wir wissen ja, daß sie den Mann und das Weib gewonnen haben, uns ihnen in die Hände zu liefern. Ist das nicht genug?“
    „Nein, denn sie würden es ableugnen!“
    „Das Leugnen ist kein Gegenbeweis!“
    „Was wir wissen oder denken, ist bis jetzt nur erst Vermutung. Wir brauchen also Gewißheit, und die werde ich mir holen.“
    „Wo?“
    „Dort, bei ihnen.“
    „Du willst also hin?“
    „Ja.“
    „Gleich jetzt etwa?“
    „Nein, sondern erst dann, wenn es vollständig dunkel geworden ist.“
    „So willst du sie wie gestern belauschen?“
    „Ja.“
    „Wird es nicht dem Sill und seinem Weib auffallen, wenn du dich entfernst, ohne daß er einen triftigen Grund dazu ersieht?“
    „Er könnte allerdings Mißtrauen schöpfen; darum müssen wir auf eine Ausrede bedacht sein. Der Mann wird erst das Mogreb und dann das Aschia beten. Beim Aschia gehe ich fort. Wenn er dich dann am Schluß des Gebetes fragt, warum ich mich entfernt habe, sagst du, ich könne als Christ nicht in Gemeinschaft mit Leuten beten, welche Mohammed anrufen. Das ist ein Grund, gegen den er nichts wird einwenden können.“
    „Davon bin ich überzeugt. Aber es gibt einen Einwand, den ich aussprechen muß, Sihdi.“
    „Welchen?“
    „Wie nun, wenn die Perser nach der Hütte kommen, während du sie suchst und also abwesend bist? Was soll ich da tun?“
    „Dieser Fall tritt nicht ein. Ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich annehme, daß sie ihr Versteck nicht eher verlassen werden, als bis ihr Verbündeter sie aufgesucht hat, um ihnen Bericht zu erstatten. Wir sind also, solange er nicht bei ihnen gewesen ist, vollständig sicher vor ihnen. Jetzt aber müssen wir zurück, sonst wird es Nacht, ehe wir die Hütte erreichen.“
    Wir gingen zu den Pferden und schlugen denselben Bogen ein, den wir vorhin geritten waren. Da wir infolgedessen von einer ganz andern Seite anlangten, kam es dem Sill nicht in den Sinn, daß wir am Fluß gewesen waren.
    Die Wände der Hütte bestanden aus Schilf und Lehm; sie waren wohl anderthalb Fuß dick und hatten, wie ich bemerkte, eine schadhafte Stelle, durch welche man von außen in das Innere sehen konnte. Der Eingang war mit einer alten Schilfmatte verhängt. Im Dach gab es ein Loch, durch welches der Rauch abziehen konnte. Das Innere war so groß, wie der Sill gesagt hatte, aber im höchsten Grad schmutzig. Auf die ‚süßen Träume‘, welche nach seinem Ausdruck uns hier erwarteten, verzichtete ich, denn es verstand sich ganz von selbst, daß wir nicht in diesem Unratstall, sondern im Freien schlafen würden. Freilich durfte ich das jetzt noch nicht sagen, sondern mußte mich in alle Vorschläge des Mannes fügen, der sich sehr besorgt um unsere Bequemlichkeit zeigte.
    Er schichtete in einer Ecke Holz auf, welches später angebrannt werden sollte. Den dicksten Schmutz räumte er zur Seite, um uns eine wenigstens einigermaßen annehmbare Lagerstätte zu ermöglichen; kurz, er tat alles, was unter den gegebenen Verhältnissen möglich war, um unser Vertrauen und unsere Anerkennung zu erlangen. Dann, als die Sonne

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