20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
nicht. Wir müssen ein Zeichen verabreden, welches zuverlässig ist.“
„Es gibt kein zuverlässigeres, als das Feuer. Solange es brennt, wachen sie noch; ist es verlöscht, so sind sie eingeschlafen.“
„Da hast du recht. Wählen wir also dieses Zeichen. Wir haben sie demnach im Finstern zu überrumpeln. Da müssen wir aber ganz genau wissen, wo sie liegen werden.“
„Das weiß ich schon jetzt. Hinten rechts brennt das Feuer; in der Nähe desselben habe ich ihnen das Lager bereitet. Dem Eingang gegenüber werde ich auf euch warten. Ich wache, bis ihr kommt. Ihr dürft nicht aufrecht eintreten, sondern müßt hereinkriechen, einer nach dem andern. Da fasse ich euch bei den Händen und leite euch dahin, wo sie liegen. Was ihr dann tut, geht mich nichts an.“
„Und dein Weib?“
„Wird im Freien schlafen. Sie braucht nicht dabei zu sein, und wie dürfte eine Frau in einem Raum schlafen, wo sich fremde Männer befinden!“
„Das ist nur bei den Anhängern der Sunna und Schia, aber nicht bei uns verboten. Deine Vorschläge gefallen mir; ich nehme sie an. Wenn du jetzt fortgegangen bist, werden wir zwei Stunden warten und uns dann in die Nähe der Hütte begeben. Sobald es in derselben dunkel geworden ist, kommen wir hineingekrochen. Hast du uns noch etwas zu sagen?“
„Nein.“
„So kehre jetzt zurück, denn eine längere Abwesenheit müßte auffallen. Die Belohnung, welch ich dir versprochen habe, wirst du – – –“
Mehr hörte ich nicht, denn ich hielt es für geraten, mich jetzt zurückzuziehen, und wurde dabei durch das Geräusch unterstützt, mit welchem der Sill sich durch das Gesträuch drängte. Jenseits desselben blieb er stehen, um noch einige Fragen auszusprechen, auf welche er Antworten bekam. Dadurch gewann ich Zeit, mich erst leise fortzuschleichen und dann, als er mich nicht hören konnte, so schnell wie möglich nach der Hütte zu laufen, natürlich in einem Bogen, so daß ich von der andern Seite dort ankam. Und das war gut, denn die Frau stand wartend dort; sie hatte jedenfalls aufzupassen und dem Mann zu sagen, aus welcher Richtung ich zurückgekehrt war.
Drin brannte das Feuer, an welchem Halef saß. Ich trat ein, und sie folgte mir. Indem ich die Abwesenheit ihres Mannes vollständig ignorierte, setzte ich mich zu dem Hadschi und begann ein Gespräch mit ihm. Nun kam der Sill und setzte sich in einiger Entfernung von uns zu seiner Frau. Nach ungefähr einer halben Stunde standen die beiden auf, und er sagte:
„Effendi, wirst du mir erlauben, hier in der Hütte bei euch zu schlafen? Meine Glieder werden zuweilen vom Dah ilmafahßil (Rheumatismus) befallen, wobei die Nebel des Flusses mir schädlich sind.“
„Ihr könnt beide bleiben“, antwortete ich.
„O nein! Du wirst wissen, daß ein Weib nicht da bleiben darf, wo schlafende Männer sich befinden. Ich werde ihr draußen im Gesträuch einen Harem herrichten, wo sie bis morgen ruhen soll.“
„Ja, tu das! Ich werde euch eine Stelle zeigen, welche sich am besten zu einem Harem für sie eignet. Kommt! Auch Hadschi Halef mag mitgehen.“
Der Mann sah mich verwundert an, folgte uns aber, ohne ein Wort zu sagen. Auch der Hadschi war still, aber ein schnelles, listiges Blinzeln seiner Augen sagte mir, daß er meinem Verhalten gute Gründe beimesse.
Als wir an den Pferden vorbeikamen, nahm ich meinem Assil den Lasso vom Hals. Halef erriet sofort, welchen Zweck ich dabei verfolgte, und ging nun hinter den beiden, denen ich voranschritt; er beaufsichtigte sie. Als ich mich weiter und immer weiter von der Hütte entfernte, ohne anzuhalten, fragte der Mann:
„Wohin führst du uns, Effendi? Soll der Harem sich nicht in unserer Nähe befinden?“
„Er wird dir viel näher liegen, als du denkst“, antwortete ich. „Wir gehen nach unserm Floß.“
„Das ist zu weit, viel zu weit, Effendi!“
„Laß mich nur machen! Ihr werdet mit mir sehr zufrieden sein! Was ich tu, geschieht zu eurem Wohl.“
„Inwiefern?“
„Ihr befindet euch in einer großen, sehr großen Gefahr, vor welcher ich euch bewahren will.“
„Allah akbar! Welche Gefahr könntest du meinen? Ich habe keine Ahnung, daß uns hier in dieser sichern Gegend ein Unfall treffen könne!“
„Das ist es eben, was die Gefahr für euch verdoppelt, daß ihr nicht die geringste Ahnung von ihr habt!“
„So sag es mir, was es für eine ist! Wir kehren doch wieder nach der Hütte zurück?“
„Natürlich! Wenn auch nicht so schnell, wie du denkst. Komm
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