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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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untergegangen war, kniete er mit nach Mekka gerichtetem Gesichte vor der Hütte nieder, um das Mogreb zu beten.
    Wir waren freundlich gegen ihn und seine Frau und teilten die Reste unsere Proviants mit ihnen. Als wir gegessen hatten, war die Zeit des Aschia gekommen, und er machte sich wieder zum Gebet fertig. Da ging ich an ihm vorüber und vom Fluß fort, scheinbar ins Land hinein; aber als er mich nicht hören konnte, verließ ich diese Richtung und wendete mich nach dem Wasser zurück, doch nicht bis ganz an dasselbe, denn es war immerhin möglich, daß die Perser ungeduldig geworden und näher herangekommen waren. Ich hatte mir die Entfernung und die Ufergestaltung genau eingeprägt, dennoch war es nicht leicht, mich so zurechtzufinden, daß ich den Fluß grad da, wo die Landzunge lag, erreichte. Ich fand, daß ich eine Strecke zu kurz oder zu weit gegangen war, und es dauerte dann noch eine ganze Weile, bis ich erkannte, daß ich mein Ziel grad vor mir hatte. Zunächst über diese Irrung und Versäumnis ärgerlich, sah ich sehr bald ein, daß dieser Umweg mir nicht Schaden, sondern Vorteil brachte.
    Ich bückte mich nämlich eben nieder, um durch die Büsche zu kriechen, als ich eilige Schritte hinter mir hörte. Schnell schob ich mich in das Gesträuch, und kaum war dies geschehen, so kam der Sill, blieb in kurzer Entfernung von mir stehen und klatschte in die Hände. Als er dieses Zeichen einigemal wiederholt hatte, erklang vom Wasser her die laute Frage:
    „Min haida – wer ist da?“
    „Safi, der Sill“, antwortete der Mann.
    „Komm her, geradeaus!“
    Er schob sich mit solchem Geräusch durch die Büsche, daß ich ihm folgen konnte, ohne gehört zu werden. Die Perser waren aufgesprungen; er stand bei ihnen, und ich lag ganz nahe bei ihnen an der Erde.
    „Wir haben dich erst später erwartet“, sagte der Pädär-i-Baharat. „Steht etwas falsch, daß du so zeitig kommst?“
    „Nein“, antwortete der Mann. „Ich komme schon jetzt, weil die Gelegenheit dazu so günstig ist. Der Giaur, den Allah zermalmen möge, ist nämlich in die Nacht hineingegangen, um sein Gebet zu sprechen. Er scheut sich, das in Gegenwart eines wahren Gläubigen zu tun.“
    „In die Nacht hinein? Wohin? Doch nicht etwa zufälligerweise hierher?“
    „O nein! Er hat sich grad nach der entgegengesetzten Seite gewendet. Dieser Christenhund ist der dümmste Mensch, den ich in meinem Leben gesehen habe. Sein Vertrauen zu mir ist so groß, daß es sich gar nicht vergrößern könnte.“
    „War er denn gleich erbötig, euch mitzunehmen?“
    „Ja, sogleich.“
    „Das haben wir nur der Klugheit zu verdanken, mit welcher ich dir befahl, dein Weib mitzunehmen. Er ist nicht so dumm, wie du denkst; die Gegenwart der Frau aber hat sein Vertrauen erweckt, denn bei Anschlägen, wie der unserige ist, pflegt man das Weib daheim zu lassen. Hat es dir Mühe gemacht, ihn nach der Hütte zu bringen?“
    „Gar nicht; er nahm meinen Vorschlag augenblicklich an. Einen besseren Ort konntest du gar nicht wählen, und ich bewundere den Scharfsinn, mit welchem du berechnet hast, daß wir diese Stelle grad gegen Abend erreichen würden.“
    „Darüber brauchst du dich nicht zu wundern, denn ein Anführer der Sillan muß natürlich Geschick besitzen. Wo sind die Pferde?“
    „Sie grasen jetzt in der Nähe der Hütte. Werdet ihr euch zunächst ihrer versichern?“
    „Nein. Haben wir die Männer, so werden die Pferde ganz von selbst unser Eigentum. Ich würde mit diesen beiden Hunden ein schnelles Ende machen, sie einfach erschießen, aber das wäre keine Strafe für die Schmerzen, welche mir der Knirps zugefügt hat; sie sollen mit ihrer eigenen Peitsche geschlagen werden, bis ihre Körper keine Stelle mehr haben, die nicht aufgesprungen ist wie diese beiden Schwielen, welche wie das Feuer der Hölle brennen. Darum muß ich sie lebendig ergreifen, und erst dann, wenn sie halb totgeprügelt sind, werden zwei Kugeln mit ihnen ein Ende machen. Wie aber wird es am leichtesten sein, sie zu überwältigen?“
    „Jedenfalls dann, wenn sie schlafen.“
    „Das weiß ich auch; aber wie erfahren wir es, ob sie schlafen oder nicht?“
    „Ich hole euch.“
    „Nein, das darfst du nicht. Deine Entfernung könnte sie aufwecken und mißtrauisch machen.“
    „So sende ich euch mein Weib.“
    „Auch das geht nicht, denn schläft sie mit in der Hütte, so muß sie bleiben, und schläft sie im Freien, so weiß sie ja nicht, ob die Fremden noch wach sind oder

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