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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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lange und energische Auseinandersetzung erreichte ihren Zweck: Der Alte schien von dem ‚Gefährten seines Alters, der einzigen Stütze seiner Lebenstage und der abendlichen Verschönerung seines Daseins‘ gerührt worden zu sein, denn er nickte ihm gütig zu und sagte:
    „Ich will dich nicht betrüben und meine Vorwürfe also zurücknehmen; aber das ändert unsere Lage nicht. Wir müssen essen und haben aber nichts.“
    „O Allah, Allah! Welche Kürze der Gedanken und welcher Mangel der erforderlichen Geistesgegenwart! Wenn du den guten Rat befolgst, welcher mir auf den Lippen schwebt, so wird alle Not sofort ein Ende haben.“
    „Was rätst du mir?“
    „Gib mir wieder Geld, so gehe ich, um zu holen, was wir brauchen!“
    „Und kommst vor heut abend nicht zurück.“
    „Meinst du denn, daß der Hunger dieser beiden Männer, welche unsere Gäste sind, so groß ist, daß sie nicht bis zum Abend warten können?“
    „Welche Frage! Gäste darf man niemals warten lassen, gleichviel, ob sie Hunger haben oder nicht.“
    „Das kann ich allerdings auch nicht ganz in Abrede stellen; aber ich muß doch meine vier Kaffeehäuser besuchen, um zu erzählen, daß der unvergleichliche Emir Kara Ben Nemsi Effendi und der tapfere Hadschi Halef Omar zu uns gekommen sind und bei uns wohnen. Da werde ich Hunderte von Fragen zu beantworten haben und kann unmöglich eher wiederkommen, als bis es dunkel geworden ist.“
    Wenn ein europäischer Diener diese Worte hervorgebracht hätte, so wäre er einfach für verrückt gehalten worden; dieser wunderbare Kepek aber hielt sich für wirklich und vollständig berechtigt, uns hungern zu lassen und seinen Bummel auszuführen. Sein Herr schien in seiner grenzenlosen Güte und Nachsicht, nicht zu wissen, was er sagen solle, und so hielt ich es für an der Zeit, nun auch einmal das Wort zu ergreifen, doch kam mir Halef zuvor, was mir gar nicht unlieb war, weil es mir widerstrebte, dem sonderbaren Dicken Dinge zu sagen, die ihm nicht angenehm sein konnten. Mein kleiner Hadschi hatte schon längst die Geduld verloren; darum befürchtete ich, daß er sich, obgleich er Gast war, in seiner gewohnten, kräftigen Weise ausdrücken werde, doch sah ich bald zu meiner Beruhigung, daß er sich zu beherrschen wußte. Er stand auf, klopfte dem stets unschuldigen Schuldigen vertraulich auf die Schulter und fragte ihn:
    „Verzeihe mir, o Freund der halben Hammel und der ganzen jungen Hähne! Kannst du mir sagen, wer der Herr dieses Hauses ist?“
    „Dieser Effendi, dem ich diene“, lautete die Antwort.
    „Ah, du bist also sein Diener?“
    „Ja.“
    „Wer hat zu gehorchen, der Diener oder der Herr?“
    „Der Diener natürlich.“
    „Schön, du hungrigster unter allen Köchen der Erdenländer! Du hast also nicht zu tun, was dir beliebt, sondern was die Gastfreundschaft deines Herrn erfordert, und diese heischt von ihm, daß seine Gäste sobald wie möglich zu essen bekommen. Willst du dann später in die Kaffeehäuser gehen, so tue es; ich habe dir nicht zu befehlen; aber wenn du dort von uns sprichst – – – paß wohl auf, was ich dir jetzt sage! – – – Wenn du dort von uns sprichst, wenn du nur ein einziges Wort davon sagst, daß wir in Bagdad sind und wo wir uns befinden, so bist du morgen früh eine Leiche, eine die ganze Nacht hindurch langsam und allmählich totgemordete Leiche!“
    Der Dicke fuhr vor Schreck einige Schritte so schnell, wie ich es ihm gar nicht zugetraut hätte, zurück. Bis herab zur Unterkehle erblassend, wiederholte er stammelnd die letzten Worte:
    „Eine – die ganze Nacht hindurch – – – langsam und allmählich – – – totgemordete – – – Leiche – – –!“
    „Ja“, nickte Halef sehr ernst.
    „Aber – – – aber – – – warum tot – – –? Warum ermordet – – –? Warum Leiche?“
    „Das will ich dir erklären. Wir haben Feinde, welche uns verfolgen, welche uns in Bagdad suchen. Wenn sie uns finden, gibt es einen Kampf; wir beide werden zwar siegen, aber das Haus, in welchem wir wohnen, wird die Folgen zu tragen haben; man wird die Bewohner sehr wahrscheinlich langsam zu Tode martern.“
    „Zu – Tode – martern –! Allah behüte mich vor dem Teufel, vor dem Tod und vor allen Menschen, welche mich um das Leben bringen wollen! Es fällt mir gar nicht ein, die Kaffeehäuser zu besuchen, solange ihr euch hier befindet! Ich werde den Mund halten und keinem einzigen Geschöpfe verraten, wo

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