20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
und setzte den Kaffee zwischen uns auf den Serir (niedriges Serviertischchen). Man sah es ihm förmlich an, daß ihm das Wasser im Munde zusammenlief, und es war ein Ton aufrichtiger Betrübnis, in welchem er die Bemerkung machte:
„Hier habt ihr ihn! Ich sage euch, daß ich nicht einen Schluck davon gekostet habe. Ich werde ihn auch ferner nicht für mich, sondern ganz allein für euch bereiten, selbst wenn der Appetit mich um die Ruhe meiner Seele und die Annehmlichkeiten meines sonstigen Wohlbefindens bringen sollte. Aber ich bitte dich, o Emir, falls Allah so gnädig ist, dich mit dem Gedanken zu erleuchten, daß auch ich eine Tasse dieses Trankes genießen dürfe, so zögere ja nicht, mir dies sofort mitzuteilen!“
Als er sich entfernt hatte bedienten wir uns selbst. Es ist nämlich im Orient bei vornehmen Verhältnissen gebräuchlich, daß beim Kaffeetrinken der Kaffee in Tassen und nicht in größeren Gefäßen serviert wird; Kepek aber hatte eine ganze Rakwa (Kaffeekanne) voll gebracht. Das war mir lieb, da es nicht angenehm ist, fortwährend durch das Kommen und Gehen der Dienerschaft gestört zu werden. Auch nahm ich an, daß der Bimbaschi unser Alleinsein zu den Mitteilungen benützen werde, auf welche er mich vorbereitet hatte.
Wir saßen längere Zeit beieinander. Er ließ sich meinen Tabak und meinen Kaffee schmecken und blickte, ohne ein Wort zu sagen, nachdenklich vor sich hin. Endlich ließ er mich eine Frage hören.
„Du warst schon in Persien?“
„Ja“, antwortete ich.
„Sprichst und verstehst du die Sprache dieses Landes?“
„Ja.“
„So sag, ob du vielleicht einmal von einer Gul-i-Schiraz (Rose von Schiras) gehört hast! Denke nach! Diese Frage ist eine sehr wichtige für mich.“
„Gul-i-Schiraz? Natürlich. Die Rosen von Schiras sind berühmt, doch gestehe ich, daß ich die Rosenzucht in Rumili kennengelernt habe, welche ich der persischen vorziehe.“
„Das ist es nicht, was ich meine. Ich spreche nicht von Rosenzucht, nicht von den Rosen im allgemeinen, auch nicht von den Rosen von Schiras in der Mehrzahl, sondern von einer Rose in der Einzahl, von einer ganz bestimmten Rose, welche aus einer mir unbekannten Ursache als Gul-i-Schiraz bezeichnet wird.“
„Von einer solchen Rose habe ich noch nichts gehört; sie ist mir unbekannt.“
„Das ist bedauerlich, sehr bedauerlich!“
„Wie kommt es, daß du, der du schon seit langen Jahren hier zu wohnen und ein vollständiger Orientale geworden zu sein scheinst, mir, der ich mich nur ganz vorübergehend im Orient aufgehalten habe, die Kenntnis eines Gegenstandes zutraust, welche du nicht besitzt?“
„Diese Frage sagt mir, daß du nicht weißt, was man von dir erzählt und in welcher Weise man über dich spricht und dich beschreibt. Nach den Schilderungen, welche über dich, den Hadschi Emir Kara Ben Nemsi Effendi im Umlauf sind, kannst du alles und weißt alles.“
„Das ist echt orientalische Übertreibung. Der Europäer hat natürlich mehr gelernt, als der unwissende Beduine.“
„Das weiß auch ich; du aber stehst in einem so ungewöhnlichen Ruf, daß auch ich geneigt bin, dir mehr als jedem andern zuzutrauen. Ist Hadschi Halef Omar dein Freund oder dein Diener?“
„Mein Freund.“
„So ist er Mitwissender von allem, was sich auf eure jetzige Reise bezieht?“
„Ja. Ich will und kann keine Geheimnisse vor ihm haben.“
„So werde ich nicht jetzt sprechen, sondern dann, wenn er von seinem Gang zurückgekehrt und wieder bei uns ist. Inzwischen können wir uns in deiner Muttersprache unterhalten. Du weißt von deinem damaligen Besuche her, daß ich sie verstehe.“
Ich ging natürlich sehr gern darauf ein; aber der Genuß, welcher sich mir dadurch bot, war nicht von langer Dauer, denn Halef kam herein, und zwar in einer Weise, welche auf eine gewisse Aufregung schließen ließ, und meldete uns:
„Ich habe gebracht, was ich in der Nähe bekommen konnte; es ist genug, um mehrere Tage davon zu leben, wenn nicht dieser dicke Vater der Gefräßigkeit über Nacht wieder alles verschlingt, um sich aus Liebe zu seinem Herrn vom Tod zu erretten. Nun aber muß ich fragen, wer kochen und braten soll?“
„Kepek natürlich“, antwortete der Bimbaschi.
„Allah '1 Allah! Kennst du deine Küche? Wann bist du zum letztenmal drin gewesen?“
„Seit Jahren nicht. Sie ist das unbestrittene Reich Kepeks, der mich keinen Augenblick drin duldet.“
„Das dachte ich! Und darum geriet er so in Wut, als ich von der
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