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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wurde; aber nun schon seit Jahren versagt er mir den Dienst, und ich darf ihm kaum soviel aufzwingen, wie unbedingt erforderlich ist, mich am Leben und zur Not aufrecht zu erhalten. Ich fühle, daß ich eines langsamen und darum qualvollen Hungertodes sterbe, und bin überzeugt, daß Allah dich, o Emir, zu meiner Rettung nach Bagdad gesandt hat.“
    Ich hätte laut auflachen mögen, denn diese seine bittere Klage war wirklich ernst gemeint, hütete mich aber, ihm meine heimliche Heiterkeit merken zu lassen. Auch sein Herr verzog keine Miene über diese Jammerlaute und gab ihm den Befehl:
    „Wir müssen zeigen, daß uns diese beiden Gäste hochwillkommen sind. Laufe, eile, springe, Kepek, um ihnen und uns ein gutes Mahl zu bereiten! Die Zeit des Mittagessens ist schon längst vorüber.“
    Laufe, eile, springe! Welch eine Aufforderung an diesen Koloß, dessen Gestalt und Gewicht nur vorhanden zu sein schienen, die Lehre von der Schwere und Beharrlichkeit bis zur höchsten Evidenz zu beweisen. Er machte auch wirklich keine Miene, auch nur einen Schritt zu tun, sondern schüttelte nur langsam und höchst verwundert den Kopf und hielt den Blick dabei mit sichtbarem Vorwurf auf seinen Gebieter, der aber doch nicht sein Gebieter war, gerichtet.
    „Nun, was stehst du noch da?“ fragte dieser. „Weißt du nicht, was man tut, wenn man für so liebe und willkommene Gäste zu sorgen hat?“
    „Ja, das weiß ich wohl ganz gut!“
    „So beeile dich also, und bereite das Essen!“
    „O Allah, o Mohammed! Ich soll mich beeilen, wo die Eile doch gar nichts ändern kann!“
    „Woran denn nicht?“
    „An dem gänzlichen Mangel der Vorräte. Wenn nichts vorhanden ist, kann man nichts kochen und nichts braten.“
    „Nichts vorhanden?“ fragte der Alte erstaunt.
    „Nichts, gar nichts!“
    „Aber du hast doch vorgestern, als du Kaffee und Tabak holtest, einen halben Hammel mitgebracht?“
    „Ja, das hab ich.“
    „Und ein Huhn?“
    „Das war nicht nur ein Huhn, sondern sogar ein junger Hahn, der zarteste und leckerste unter dem vorhandenen Geflügel.“
    „Und Reis, Butter, Tomaten und Gewürz?“
    „Auch alles das“, nickte er.
    „Und Mehl zum Brot?“
    „Davon habe ich eine ganze Okka (ca. 2 Pfund) gebracht.“
    „So hast du ja alles, um ein gutes Mahl herzustellen!“
    „O Effendi, du beliebst zu scherzen! Alles das, was du jetzt aufgezählt hast, ist verzehrt worden, ist rund und rein alle geworden.“
    „Do wierzenia niepodobny! Wer soll es denn gegessen haben?“
    „Ich!“
    „Du? Da müßtest du ja den Magen eines Kelb el Bahr (Haifisch) haben!“
    Da zog der Dicke seine wehmütigste Miene und sagte:
    „Effendi, Allah verzeihe es dir, daß du mich mit so einem Ungeheuer des Meeres vergleichst! Hast du denn nicht vorhin gehört, was ich gesagt habe? Dieser berühmte Emir Kara Ben Nemsi Effendi und dieser tapfere Scheik Hadschi Halef Omar haben beides vernommen; sie werden mir als Zeugen dienen, daß ich fast gar nichts mehr genießen kann, weil mein armer Magen schwach und dünn wie eine Seifenblase ist, die in jedem Augenblick zu platzen droht.“
    „Und bei dieser Magenschwäche hast du einen halben Hammel, einen jungen Hahn und eine Okka Mehl ganz allein aufgegessen? Denn was ich davon bekommen habe, das ist gar nicht zu rechnen!“
    „Allah! Du versenkst mein Herz in Kummer und meine Seele in Trübseligkeit! Was ich getan habe, das habe ich aus Liebe und Aufopferung für dich getan. Der Hammel hatte vor schon so vielen Tagen den Tod erlitten, daß sein Duft sich nach der Beerdigung zu sehnen begann. Konnte ich da dir ihn zu essen geben?“
    „Warum hast du ihn stinkend gekauft?“
    „Weil ich nicht beim Kassab (Fleischer) war, als er noch nicht stank.“
    „So hättest du einen frischen nehmen sollen!“
    „Es war keiner da. Es stank das ganze Fleisch, welches bei ihm hing.“
    „Warum bist du da nicht zu einem andern Kassab gegangen?“
    Da verdrehte der Dicke in mitleidiger Verwunderung die Äuglein, schlug die Hände zusammen, daß es einen Klatsch wie von einem zerreißenden Groß-Bramsegel gab, und rief aus:
    „Allah beschütze mich! Zu einem anderen Kassab gehen! Sieh mich an, Effendi! Bin ich ein Windhund, daß du mir zumutest, von einem Fleischer zum andern zu hetzen? Bedenke doch, daß ich sofort tot bin, wenn ich den Atem verliere, ohne daß er wiederkommt! Auch weißt du genau, daß ich nicht nur zum Fleischer, sondern noch in andere Dekahkin (Kaufläden) zu gehen hatte. Wo soll da

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