20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
und widmete mir eine reinigende Säuberung der Persönlichkeit, welche mich mit seltener Wohltuung erfüllte und mir zwar erst als überflüssig erschien, ihm aber nachher mein ganzes Wohlwollen gewann. Dann war er mir behilflich, aufzustehen, und beehrte mich mit dem Auftrag, das Feuer nicht ausgehen zu lassen und durch die fortgesetzte Rührung des Löffels den Reis vor dem Anbrennen zu bewahren. Während dieser Beschäftigung näherten sich unsere Seelen einander immer mehr; ich bemerkte in der Tiefe meines Innern, daß ich ihn liebgewann, und als er mich das erste, wohlgeratene Stück Maschwi (gebratenes Fleisch) hatte kosten lassen, konnte ich nicht anders, ich mußte ihn umarmen, worauf er mich dann höflich ersuchte, hierher zu euch zu gehen und den erwarteten Genüssen mit der Ruhe innigster Zufriedenheit entgegenzusehen, was ich ihm zu Ehren hiermit tue.“
Als er dies sagte, war ihm diese innige Zufriedenheit sehr deutlich anzusehen, und als der Bimbaschi sich erkundigte, ob er wirklich so einverstanden mit Halef sei, antwortete er:
„Das versteht sich ganz von selbst. Man kann nicht anders als ihm Liebe und Verehrung zollen. Er ist eine Perle, ein schöngeschliffener Edelstein, ein glänzendes Juwel. Wem es vergönnt ist, zuzusehen, wie er das Mafruhm (gehacktes Fleisch) oder gar die abgezogenen Katahkit zu behandeln versteht, der kann sich selbst über die Vortrefflichkeit nicht wundern, mit welcher sich die Leber des Hammels unter seinen Händen in alle Wohlgeschmäcke und Wohlgerüche des Paradieses verwandelt. Als ich ihn fragte, wem er diese große, unvergleichliche Kunst abgelauscht habe, teilte er mir mit, daß er erst ein Vorbild und dann eine Lehrerin gehabt habe; das Vorbild sei sein Emir Hadschi Kara Ben Nemsi gewesen, und die Lehrerin heiße Hanneh, die lieblichste Blume unter allen freundlichen Blüten des Frühlings und der anderen Jahreszeiten, nur allein den Winter abgerechnet. O Emir Kara Ben Nemsi, wenn dieser Halef diese Fertigkeit der Zubereitung und diese seine Sicherheit der schmeckenden Zunge auch dir zu verdanken hat, wie mußt da du erst kochen und braten können! Wirst du vielleicht die Gnade haben, uns morgen ein Beispiel davon zu liefern?“
Ich wurde glücklicherweise verhindert, ihm auf diese Frage eine Antwort zu geben, denn Halef stieß grad jetzt die Tür mit dem Fuß auf und trat mit reichbeladenen Händen in das Zimmer. Nachdem er abgelegt hatte und noch einigemal zwischen hier und der Küche hin- und hergegangen war, hatte er das ganze Serir und den Boden vor demselben mit den Erzeugnissen seiner Tätigkeit bedeckt, und auch drüben auf der andern Seite ragte vor dem Dicken ein so großer Berg von Reis und Fleisch auf, daß ich meinte, er könne wenigstens heut und morgen nicht alle werden. Ich brauchte aber gar nicht lange zu warten, so war dieser Berg vollständig verschwunden, und ‚Kleie‘ schaute sehnsüchtig zu uns herüber, ob nicht vielleicht von da noch etwas zu erlangen sei. Dieser Wunsch wurde ihm mit solcher Ausgiebigkeit erfüllt, daß mir schließlich bange um ihn wurde und auch er selbst einsah, daß selbst das größte Loch endlich einmal ausgefüllt werden kann. Er strich sich mit den Händen liebkosend über denjenigen Teil seines Körpers, welchen ich vorhin mit einem Luftballon verglich, und sagte seufzend:
„Jetzt hört es auf; mit aller Macht hört's auf; ich kann nicht mehr; o Unglück dieser Sättigung, o Unzulänglichkeit der Magenwände! Warum schmeckt es noch, wenn man nicht mehr essen kann? Es gibt keine einzige Vollkommenheit der Welt, welche nicht doch unvollkommen ist. Ich hoffe aber dennoch, daß dieser unser vorzügliche Scheik der Haddedihn heut noch einmal in die Stadt gehen wird, um den Fleischer zu besuchen, da es leicht geschehen könnte, daß morgen nichts Gutes mehr dort zu finden ist!“
Noch weit zufriedener als dieser Unersättliche war Halef darüber, daß seine Kunst und Fertigkeit von uns allen in der Weise durch die Tat anerkannt wurde, daß wir am Ende des Mahles vollständig aufgegessen hatten. Da machte er uns die besonders für Kepek tröstliche Mitteilung, daß er nicht zum Fleischer zu gehen brauche, weil er dort eine Bestellung aufgegeben habe, welcher in der Dämmerung durch einen Boten nachgekommen werde.
Dies erwies sich auch als richtig, denn zur angegebenen Zeit wurde das Fleisch geschickt. Ob ich werde davon genießen können, wußte ich nicht. Für heut war ich übersatt, und morgen – wir wollten
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