20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
Reinlichkeit des Lebens und der Appetitlichkeit der Speisen sprach! Ich habe ihm aber geantwortet, wie sich's gebührt; da setzte er sich vor Schreck auf die Erde nieder, was einen solchen Plumps tat, daß ich glaube, entweder hat er einen Riß bekommen oder der Boden ist geplatzt.“
„Und dann?“ fragte der Alte besorgt. „Was tut er jetzt?“
„Habe keine Sorge um ihn! Er sitzt noch fest und kann wegen der unmenschlichen Schwere seiner Gewichtigkeit nicht eher wieder aufstehen, als bis ich ihm helfe. Laß ihn sitzen, bis ich zu ihm zurückkehre! Ich muß dich vor allen Dingen fragen, ob ich aufrichtig sprechen darf?“
„Du darfst es.“
„Und du wirst mir nichts übelnehmen?“
„Gar nichts.“
„So muß ich dir sagen, daß du gar keine Ahnung hast, was alles und in welcher Weise bisher für dich gekocht, gebraten und gebacken worden ist. Wenn ich gezwungen würde, nur einen einzigen Bissen aus der fetten Hand dieses Dschedd al Wasach (Großvater des Schmutzes) zu essen, so würde sich mein Leib wie ein Geldbeutel umwenden, so daß meine Eingeweide nach außen kämen und die ganze Schönheit meiner äußeren Gestalt nach innen.“
Ich befürchtete eine Beleidigung unseres Wirtes und gab also dem Hadschi einen verstohlenen Wink, sich zu mäßigen; er fuhr aber unbeirrt fort:
„Mein Sihdi winkt mir freilich zu, zu schweigen; aber wenn wir bei dir etwas genießen sollen, so muß ich sprechen und dich darauf aufmerksam machen, daß, solange wir uns hier befinden, ich allein die Chukuhme el Matbach (Behörde der Küche) sein werde. Ich will diese Küche gar nicht beschreiben, weil ich keine Worte dazu finden würde, aber das Geschirr – dieses Geschirr! In der Ecke steht ein Blechgefäß mit dem Wasser, mit welchem er sein Gesicht und seine Hände wäscht und aus welchem er auch zum Kochen schöpft; auf dem Boden des Wassers liegt der Schlamm mehrere Finger hoch. Ich habe es ihm, als er sich vor Schreck niedergesetzt hatte, über den Kopf gegossen – – –“
„Das hättest du nicht tun sollen!“ fiel der Bimbaschi ein. „Wenn er nun davon krank und – – –“
„Ängstige dich nicht um ihn!“ unterbrach ihn Halef. „Dieses Bad hat ihn wieder zu sich gebracht und ihm nur gutgetan. Er wollte noch mehr haben, denn er sperrte vor Entsetzen den Mund so weit auf, wie er nur konnte; es war aber leider keines mehr da. Dann sah ich eine Tangara (tönerne Pfanne zum Kochen). Es war ein schwarzes, dickes Fett mit Fingerspuren drin, und als ich ihn frage, wozu das sei, erfuhr ich, daß er es zum Einschmieren seiner Schuhe und Pantoffel nehme. In derselben Tangara kocht er dann das Fleisch und Gemüse. Ich habe das Fett sogleich heraus- und ihm in das Gesicht gewischt.“
„Boze daj ci zdrowi! Wenn du das getan hast, so wird er –“
„Keine Sorge, Effendi!“ fiel Halef ein. „Es hat ihm nichts geschadet. Er leckte es ab, und es schien ihm gut zu schmecken. Während er dies tat, sah ich mich weiter um und entdeckte ein Miklaja (Kasserolle) von Kupfer, in welchem er das Fleisch zu braten pflegt. Jetzt hatte er ein Marham (Salbe) zur Vertreibung der in seinem Bett wohnenden Bakk (Wanzen) darin bereitet. Ich habe ihm diese Salbe auf das erste Fett gestrichen. Sodann – – –“
„Halt ein!“ unterbrach ich ihn. „Ich will nichts weiter hören. Du wirst jetzt noch einmal fortgehen und die Gefäße kaufen, welche du für heut nötig hast, und sie dann dem Dicken als Geschenk verehren, was, wie ich hoffe, dir seine Zuneigung wiederbringen wird.“
„Ich darf mich also als den Gebieter der Küche betrachten?“
Er erhielt durch ein Kopfnicken die Einwilligung des Wirtes und entfernte sich. Der letztere befand sich in größter Verlegenheit und bemühte sich, den Eindruck, welchen der Bericht des Hadschi auf mich hatte hervorbringen müssen, durch Entschuldigungen abzuschwächen. Ich half ihm schnell darüber hinweg, zumal der Hauptgrund dieser Mißwirtschaft in seiner Armut zu bestehen schien. Wir unterhielten uns in deutscher Sprache über mein und sein Vaterland, welch letzteres, nämlich Polen, er noch jetzt glühend zu lieben schien. Er fragte mich auch, ob ich die Absicht habe, heut noch auszugehen oder auszureiten. Ich verneinte dies, und so machten wir einen Spaziergang in den Garten, wobei ich Gelegenheit nahm, mich zu überzeugen, daß es unsern Pferden an nichts gebrach. Der Bimbaschi war ein leidlicher Kenner und sprach sich begeistert über die edlen Tiere aus.
Als
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