20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
wir dann in das Haus zurückkehrten und an der Küchentür vorübergingen, blieben wir einen Augenblick stehen, um zu lauschen. Wir hörten das Feuer prasseln, dann Topfgeklirr und dabei die Stimme des Dicken:
„Laß die Salsa (Brühe) ja nicht überlaufen, denn ich sage dir, verehrter Scheik der Haddedihn, daß es schade um jeden Tropfen ist, welcher verlorengeht! Ich sehe, daß du ein wahrer Aschschi el Aschschiji (Garkoch der Garköche) bist und freue mich wie ein Sultan auf dieses Essen.“
Der Bimbaschi schmunzelte, und auch ich war befriedigt über das gute Einvernehmen, welches sich, nach diesen Worten zu schließen, zwischen den beiden eingestellt hatte. Wir saßen noch nicht lange wieder in dem Zimmer, so kam Kepek hereingestampft und fragte seinen Herrn:
„Effendi, das Mahl wird bald beginnen, und der Hadschi behauptet, daß ich ihm in der Küche nur im Wege sei. Darf ich mich hier niedersetzen, wie ich es immer darf, wenn wir nichts zu tun haben?“
Der Alte sah mich fragend an. Ich konnte mir denken, daß die beiden einsamen Menschen so oft wie möglich beisammensaßen, weil einer auf den andern angewiesen war, und wollte sie nicht zu einer Ausnahme wegen uns veranlassen; darum antwortete ich dem Onbaschi, der jetzt viel sauberer aussah als vorher:
„Setz dich nieder; wir haben nichts dagegen!“
Er nahm uns gegenüber Platz, aber wie! Zunächst dreht er sich nach der Wand um, an welche er die Hände stemmte; dann ließ er diese langsam niedergleiten, wobei er sich nicht bückte, sondern den Körper in steifer Haltung folgen ließ, so daß die Füße von dem an der Mauer liegenden Kissen wegrutschten. In dem Augenblicke, wo er sich wegen seiner Schwere nicht mehr halten konnte und also stürzen mußte, warf er sich schnell und mit einer gewaltsamen Bewegung herum und kam infolgedessen mit einem kräftigen – Plumps, wie Halef sich vorhin ausgedrückt hatte, auf das Kissen zu sitzen. Bei dem Anblick, den er dort bot, kostete es mich Mühe, das Lachen zu verbeißen. Der Bauch lag ihm wie ein den Kaftan auftreibender Luftballon auf den Oberschenkeln, und er pustete mit vor Anstrengung hochrot gewordenem Gesicht wie eine Sekundärbahnlokomotive, wobei er sich vergeblich bemühte, die Unterschenkel mit den unzureichenden Flügeln des Gewandes zu bedecken. Als er wieder zu Luft gekommen war, stieß er einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus und sagte:
„So! Jetzt stehe ich nicht eher wieder auf, als bis ich vollständig satt geworden bin!“
„Hast du Hunger?“ fragte sein Herr.
„Hunger bloß? Allah '1 Allah! Es ist noch mehr, viel mehr als Hunger, Effendi. Wenn man diesen Scheik der Haddedihn vom großen Stamm der Schammar so eifrig und appetitlich in der Küche herumhantieren sieht, so laufen einem alle möglichen Wasser des Himmels und der Erde im Mund zusammen. Der versteht's, oh, der versteht's! Ich möchte ihn ohne Unterlaß kochen sehen und immer und immer, ohne Aufhören von ihm essen!“
Er schnalzte mit der Zunge, machte das allerseligste seiner Gesichter und fuhr fort:
„Übrigens ist er ganz und gar nicht so schlimm, wie ich dachte. Erst räsonierte er so schrecklich, daß ich das Gleichgewicht meines Daseins verlor und mich dann, auf dem Boden sitzend, wiederfand. Dann untersuchte er die Gefäße, mit deren Bestimmung er leider selbst jetzt noch nicht einverstanden ist. In diesem Mangel an Kenntnis der Notwendigkeit verwechselte er den Gegenstand mit der Person und strich mir erst die wohlzubereitete Erquickung der Schuhe und Pantoffel und dann die ganze Vertreibung des beißenden Ungeziefers in das Gesicht. Hierauf ging er erst zu euch und dann fort, um Pfannen und Töpfe zu holen. Den Schlüssel zur Pforte hatte er mir schon vorher abverlangt.“
Er holte Atem, schob den überhängenden Bauch soviel wie möglich zurück und fuhr dann fort:
„Ich konnte mich nicht erheben und blieb also sitzen, bis er wiederkam. Da zeigte er mir die Herrlichkeiten des Töpfers und sagte, daß er mir dies alles schenken werde, wodurch der Zorn meines Herzens in eine wohltuende Rührung der Empfänglichkeit meiner Seelenstimmung verwandelt wurde. Nun holte er Wasser, machte Feuer und setzte das Fleisch und Gemüse an Ort und Stelle. Ich erkannte dabei, daß er kein Unkundiger sei, doch wurde diese gute Meinung später nicht nur bestätigt, sondern übertroffen. Als er mit dieser Besorgung des Herdes fertig war, holte er abermals Wasser, nahm die Seife, welche er auch mitgebracht hatte,
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