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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Weise sicher zu stellen. Höre also, was ich dir jetzt sage! Gehst du darauf ein, so erhaltet ihr die Freiheit wieder; wenn nicht, so werdet ihr schon die nächste Stunde nicht überleben. Also: ihr schwört mit einem Eid, den ich euch vorsagen werde, daß ihr diesen Ort hier keinem Menschen verraten werdet, und du gibst, sobald du nach Bagdad zurückgekehrt bist, deine Stellung auf. Tust du dies nicht sofort, so verfallt ihr in kürzester Zeit unserer Rache. Und wird dieses Versteck hier früher oder später einmal in irgendeiner Weise entdeckt, die uns auch bloß nur ahnen läßt, daß ihr nicht schweigsam wie das Grab gewesen seid, sondern euern Eid gebrochen habt, so steht euch der martervollste, grauenhafteste Tod bevor. Auch darfst du, solange du lebst, Bagdad niemals verlassen, damit du unserer Rache nicht entrinnen kannst. Wir werden dich stets beobachten und dich, selbst wenn du noch hundert Jahre lebtest, niemals aus den Augen lassen. Du würdest bei der geringsten Vorkehrung zur Abreise verloren sein!‘ – Das war es, was der Säfir von mir verlangte, Effendi. Was hättest du an meiner Stelle getan?“
    „Jedenfalls nicht, was du getan hast“, antwortete ich. „Er hätte mich wahrscheinlich gar nicht mehr im Gefängnis vorgefunden. Doch darauf kommt es jetzt auch gar nicht an. Ihr habt den Eid geschworen und seid entlassen worden, worauf du dann nach Bagdad zurückgekehrt bist und dein Amt niedergelegt hast.“
    „Ja, so ist es. Ich weiß wirklich nicht, was ich sonst hätte tun sollen oder tun können. Wenn wir uns weigerten, das zu tun, was man von uns verlangte, so war uns der Tod gewiß. Zwar hatte das Leben schon längst keinen eigentlichen Wert mehr für mich; aber es handelte sich nicht allein um mich, sondern auch um Kepek, den Treuen, und da das Leben doch immerhin etwas ist, so ging ich auf die Bedingungen des Säfir ein. Wir mußten schwören und wurden dann gleich von den Fesseln befreit und hinauf in den Gang und hinaus vor den Turm geschafft.“
    „Des Nachts natürlich?“
    „O nein; es war am hellen Tage.“
    „Wirklich? Welche Unvorsichtigkeit von dem Säfir!“
    „Warum Unvorsichtigkeit?“
    „Weil ihr da sehen konntet, was man euch bisher verheimlicht hatte, nämlich den Eingang, seine Lage und wie er geöffnet und verschlossen werden konnte.“
    „Das haben wir freilich alles gesehen. Der Säfir stand dabei und sagte:
    ‚Daß ich das nicht als ein Geheimnis für euch betrachte, mag euch zeigen, wie fest und sicher ich euch in meinen Händen halte. Ja, ich habe sogar eine ganz besondere Absicht dabei. Nun ihr alles wißt, ist für euch die Versuchung, euern Eid zu brechen, um so größer und also euer Tod um so sicherer.‘
    Übrigens, was den heimlichen Eingang betrifft, so würden wir ihn jedenfalls nicht finden, und wenn wir noch so lange suchten, denn wir haben uns die Striche nicht gemerkt, mit denen der kleine Ziegel gezeichnet war, den man erst entfernen muß, ehe sich die größeren bewegen lassen.“
    Ich horchte auf, als der Bimbaschi dies sagte. Er hatte geschworen, nichts zu verraten, und ahnte nicht, daß er mir mit diesen Worten alles offenbart hatte. Die Ziegel des Birs Nimrud tragen Keilinschriften; er hatte aber nicht von Keilen, sondern von ‚Strichen‘ gesprochen, und dieser Ausdruck lenkte meine Aufmerksamkeit auf einen Umstand, dem ich bisher keine Beachtung geschenkt hatte, weil ich ihn für nur zufällig und also ganz bedeutungslos hielt. Nämlich das Pergament des Pädär-i-Baharat hatte, wie man weiß, eine Zeichnung enthalten, deren Bedeutung ich damals nicht verstand; aber als der Bimbaschi den Weg zur Höhle des Birs Nimrud beschrieb, trat sie mir ganz plötzlich wieder klar vor die Augen, und ich erkannte zu meinem Erstaunen, daß die Striche, aus denen sie bestand, den Pfad nach dem Versteck der Schmuggler verdeutlichen sollten. Und nun er jetzt ‚Striche‘ anstatt ‚Keile‘ sagte, fiel mir ein, daß ich unter der Zeichnung Striche bemerkt hatte, die mir aber nicht sehr aufgefallen waren. Sie sahen aus wie Kommata, wie man sie macht, wenn man eine Schreibfeder probiert oder ihren Schnabel auf das Papier drückt, um ihn elastischer zu machen, oder auch um ein Härchen, welches dazwischengeraten ist, zu entfernen. Ich hatte die Zeichnung kopiert, aber diese Striche nicht, doch besitze ich glücklicherweise ein außerordentliches Gedächtnis, welches oft, als ob es von meinem Willen ganz unabhängig sei, Gegenstände und Vorgänge festhält,

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