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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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überraschen, und ehe wir uns besannen und uns an seine Verfolgung machten, mußte er einen Vorsprung gewinnen, den wir wohl schwerlich einholen würden.
    Diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf; wenigstens vermutete ich das und traf meine Vorkehrungen danach. Ich band ihn los, gab ihm mehrere Papierblätter, die ich aus meinem Notizbuche riß, und einen Bleistift in die Hand und zeigte ihm, wie beides zu gebrauchen sei. Dann trat er zu seinem Pferd, nahm den Sattel als Unterlage und begann zu zeichnen. Ich brauchte mich nur mit hinzustellen und die Zügel in die Hand zu nehmen, so konnte er nicht fort; aber ich hatte gar nichts dagegen, daß er den Fluchtversuch unternahm; ich wollte ihn nämlich gern abermals beschämen.
    Darum beaufsichtigte ich ihn gar nicht, und als Perkins zu ihm treten wollte, um ihn im Auge zu behalten, winkte ich ihm, dies nicht zu tun. Ich entfernte mich vielmehr von ihm, schlenderte scheinbar sorglos zu meinem Schwarzschimmel hin und legte mich in das Gras. Dort tat ich, als ob ich nicht die geringste Besorgnis hegte, beobachtete ihn aber sehr scharf und war bereit, in jedem Augenblicke empor- und auf mein Pferd zu springen.
    Er mochte wohl zwei oder drei Minuten gezeichnet haben, da warf er einen forschenden Blick zu mir herüber; ich tat, als ob meine Aufmerksamkeit gar nicht auf ihn gerichtet sei. Da ließ er Papier und Stift fallen, ergriff den Zügel, schwang sich auf und stieß seinem Pferde mit einem schrillen Jubelschrei die Fersen in die Weichen. Es schoß mit ihm fort.
    „Alle Teufel, da jagt er hin!“ rief Perkins. „Welche Dummheit, es ihm so leicht zu machen, Sir! Schnell ihm nach!“
    Er wollte aufs Pferd steigen, Dschafar ebenso; ich saß bereits im Sattel, trieb meinen Schwarzschimmel fort und befahl den beiden:
    „Bleibt getrost hier! Ich bringe ihn.“
    Das war so schnell gegangen, daß der Häuptling beim ersten Sprung meines Pferds nicht mehr als höchstens zwanzig Meter Vorsprung besaß. Ich nahm den Lasso vor, hakte das eine Ende an den Sattelknopf, legte die Schlinge zum Werfen locker und rief dem Roten zu:
    „To-kei-chun mag schneller reiten, sonst hole ich ihn!“
    Er blickte sich um; schon war ich nur fünfzehn Meter hinter ihm, denn mein Pferd war doch ein besserer Renner, als das seinige. Daß die Verfolgung eine so schnelle sein werde, das hatte er nicht gedacht; dennoch stieß er ein höhnisches Lachen aus und trieb sein Tier zu größerer Eile an; ich kam ihm aber bei jedem Sprung näher. Als er sich zum zweitenmal umdrehte, hatte ich ihn nur noch zehn Meter vor mir und schwang den Lasso zum Wurf. Da warf er sich nach Indianerart halb aus dem Sattel, so daß er nur noch mit der Kniekehle des einen Beines in diesem hing und sich mit einer Hand an dem Halsriemen seines Gauls festhielt. Er lag also am Leib seines Pferds lang hin, und ich konnte ihm infolgedessen den Lasso nicht überwerfen.
    Sobald ein Indianer sich in dieser Weise eng an die Seite seines Pferds hängt, weiß dieses, daß Gefahr vorhanden ist und entwickelt ganz von selbst die möglichste Schnelligkeit. Dies tat auch sein Tier, und da er es außerdem durch Schläge und Geschrei antrieb, so wurde sein Vorsprung für den Augenblick ein größerer. Da aber ließ ich meinem Schimmel die Sporen fühlen, und sofort schoß er in solchen Sätzen weiter, daß ich den Raumverlust rasch einholte.
    Der Häuptling war vor meiner Schlinge sicher, aber nicht sein Pferd. Ich hielt mich darum nicht gerade, sondern seitwärts hinter ihm, wirbelte die Schlingen über dem Kopf, ersah den geeigneten Augenblick und ließ den Lasso fliegen. Ich hatte gut gezielt. Der Gaul schoß förmlich mit dem Kopf in die Schleife hinein, die sich ihm um den Hals legte. Mein Schimmel war auf das Lassowerfen ausgezeichnet dressiert; er wußte, was geschehen mußte, und verminderte seine Schnelligkeit; ein leiser Schenkeldruck von mir genügte; da warf er sich herum und stemmte sich fest ein. Dadurch wurde der Lasso straff angezogen; wir bekamen einen starken Ruck, welchen der Schimmel aushielt; das Pferd des Roten aber stürzte nieder, und To-kei-chun wurde weit fortgeschleudert.
    Ich schnellte mich von meinem Sitz herunter, sprang zu ihm hin und erreichte ihn grad in dem Augenblick, als er sich aufrichten wollte. Mit der rechten Hand mein Messer ziehend, drückte ich ihn mit der linken nieder und gebot ihm:
    „Rühre dich nicht, sonst steche ich!“
    Er nahm wie schon gesagt, an, daß sein Tod mir nichts nützen könne, und

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