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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Hang und kletterte an demselben wieder nieder. Von unten aus hatte das viel schwieriger ausgesehen, als es in Wirklichkeit war. Wenn ich mich in acht nahm, konnte ich den Rückweg auch in der Nacht vornehmen, ohne einen Unfall zu befürchten. Als ich den Felsenaltan erreichte, gab es grad noch soviel Helligkeit, daß ich den unter mir liegenden Talboden noch erkennen konnte. Ich untersuchte die Bäume. Sie waren für mein Vorhaben fest genug eingewurzelt, und ich band das eine Ende meines Lassos an den stärksten von ihnen. Dann legte ich mich nieder.
    Trotz der Überzeugung welche ich hegte, lag es doch im Bereich der Möglichkeit, daß meine Berechnung sich als falsch erwies. Was konnte nicht alles geschehen sein, was die Comanchen hinderte, hierherzukommen, oder mir es unmöglich machte, mein Vorhaben auszuführen! Aber ich befand mich in jenem Gefühl der Sicherheit, welches mich noch niemals getäuscht hatte.
    Stunde um Stunde verging, und mit ihnen wurden die Sterne heller. Nach dem Stand derselben war es ziemlich Mitternacht, als endlich von weitem her ein Geräusch an mein Ohr schlug. Ich lauschte. Waren sie es? Das Geräusch kam näher; es war Hufschlag, Hufschlag vieler Pferde im weichen Savannenboden. Ja, sie waren es!
    Bald hörte ich auch schon ihre Stimmen, und dann waren sie da, stiegen von den Pferden und brannten mehrere Feuer an. Bei dem Schein derselben konnte ich meine Beobachtungen machen.
    Diese Leute fühlten sich so sicher, daß es ihnen gar nicht einfiel, die Örtlichkeit erst abzusuchen. Die Pferde wurden erst getränkt und dann ein Stück fortgetrieben, wo sie sich zerstreuten und weiden und zugleich als Wachen dienen konnten, um die Annäherung eines fremden Wesens durch Unruhe und Schnauben zu verraten. Dann gruppierten sich die Indsmen um die Feuer, von denen bald ein kräftiger Bratengeruch zu mir heraufstieg. Sie waren also unterwegs auf Wild getroffen.
    Den Gefangenen sah ich auch; er war gefesselt und befand sich zu meinem Leidwesen nicht in meiner Nähe, sondern war nach dem Feuer geschafft worden, welches am entferntesten von mir brannte. Desto näher war mir der Häuptling, denn er hockte an dem Feuer, welches als das erste seitwärts unter mir brannte.
    Die Indsmen waren ermüdet, denn ihr Ritt war weiter als der unserige und fast ebenso anstrengend gewesen. Sie verhielten sich darum still, und es war anzunehmen, daß sie sich nach dem Essen sogleich schlafen legen würden. Dies geschah auch wirklich. Der Häuptling gab seine Befehle, verteilte die Wachen und zog sich von dem Feuer nach dem Fuß des Felsens zurück, wo er sich ganz abgesondert von seinen Leuten niederlegte und in seine Decke hüllte.
    Meine Aufmerksamkeit war natürlich am gespanntesten auf den Gefangenen gerichtet, und da mußte ich leider einsehen, daß mein Vorhaben sehr schwierig auszuführen war. Alle Feuer verlöschten; das seinige aber wurde weiter unterhalten, und es saßen zwei Wächter bei ihm, welche sich nicht niederlegten. Die Wachen hatten sich entfernt; es waren ihrer drei; sie sollten jedenfalls zugleich die Pferde beaufsichtigen und postierten sich wohl so, daß sie den Lagerplatz nach der Savanne hin absperrten.
    Ich hatte Dschafar heimlich herausholen wollen. Unter mir war es dunkel; es war also möglich, an dem Lasso unbemerkt hinabzukommen, aber dann! Die beiden Wächter mußten mich unbedingt kommen sehen, wenn ich mich dem Feuer näherte. Und wenn mich da ein rascher Sprung zu ihnen brachte und ich sie niederschlagen konnte, Zeit zum Schreien fanden sie doch. Blieb mir aber so viel Zeit, Dschafars Fesseln zu lösen? Und wie wollte ich mit ihm fort? Hinaus auf die Savanne? Da standen ja die Posten! Oder am Lasso hinauf? Selbst wenn Dschafar gut klettern konnte, was ich aber bezweifelte, kamen die Roten gewiß alle über uns, ehe es nur dem ersten von uns beiden möglich war, die Felsenplatte zu erreichen. Ich war also gezwungen, meinen Plan aufzugeben, wenn ich nicht mich und ihn der größten Gefahr aussetzen wollte.
    Aber was sonst tun? Dschafar mußte befreit werden: Sehr einfach! Da seitwärts unter mir lag ja der Häuptling. Ich wagte zwar auch mein Leben, wenn ich versuchte, mich seiner zu bemächtigen, aber er war doch leichter zu bekommen als der Perser, und wenn mir der Streich gelang, so war der Gefangene so gut wie gerettet, beide konnten gegeneinander ausgelöst werden. Lächerlich! Wieder Auslösung! Ich hatte nur immer die Fehler anderer gutzumachen.
    Ich zauderte nicht lange.

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