20 - Mutter der Monster
tranken.
Nachdem sie mit ihr fertig waren, blieb sie noch für einen letzten Moment stehen. Nachdem sie ihre Köpfe gehoben und sie losgelassen hatten. Nachdem sie zurückgetreten waren, um sich wieder neben das Porträt ihres geliebten verstorbenen Vaters zu stellen.
Durch die Schleier vor ihren Augen sah Heidi, wie Big Mama zwischen ihre Söhne trat und ihre Arme um sie legte. Sie drückten ihre Köpfe an den üppigen, blümchengemusterten, rosa Busen ihrer Mutter. Heidis Lebensblut verschmierte ihre Münder. Heidi hätte schwören können, dass das Porträt über ihren Köpfen auf sie herablächelte.
»Meine guten Jungs«, hörte Heidi Big Mama flöten. Heidis Beine gaben nach, konnten ihr Gewicht nicht länger tragen. »Ihr wart so ordentlich. Habt nicht einen Tropfen verschüttet. Eure Mutter ist mächtig stolz auf euch.«
Heidi spürte, wie sie fiel. Sie sah den Marmorboden auf sich zukommen. Ihr Kopf schlug auf, aber zu diesem Zeitpunkt spielte es schon keine Rolle mehr. Denn zu diesem Zeitpunkt war bereits alles vorbei.
Als ihr Kopf auf dem kalten, weißen Stein aufschlug, spürte Heidi Lindstrom nichts mehr. Sah nichts. Hörte nichts.
War nichts.
Und so hörte sie auch nicht den einzigen Gedenkspruch, den sie je erhalten würde.
»Schafft diesen abscheulichen Haufen Müll hier raus«, befahl Big Mama.
2
Die Tiere waren hungrig, und Buffy Summers hatte einen großen Fehler gemacht. Sie war genau zur Fütterungszeit gekommen.
In ihrem Job als die Auserwählte, als die Jägerin, hatte Buffy in ihrem jungen Leben schon eine Menge entsetzlicher Dinge gesehen. Aber das hier war so schlimm, dass sich sogar der eiserne Magen der Jägerin umdrehte.
Zungen zuckten heraus. Mäuler öffneten sich. Speichel tropfte. Zähne teilten sich und schnappten zu. Hart. Zähe rote Flüssigkeit spritzte hervor. Und es gab absolut nichts, was Buffy dagegen tun konnte. Sie war vollkommen hilflos. Machtlos angesichts des abscheulichsten Bildes, das sie je gesehen hatte.
Wenigstens tagsüber.
Es war Mittagszeit im Imbissbereich des Sunnydaler Einkaufszentrums.
»Hungrig, Schätzchen?«, fragte Joyce Summers, als sie sich zu ihrer Tochter setzte. Buffy verfolgte mit krankhafter Faszination, wie der Kerl am Nachbartisch eine Portion Fritten verspeiste. Er tunkte eine Hand voll in einen Plastikbecher, der mindestens eine halbe Flasche Ketchup enthalten musste und hielt sie dann hoch. Über seinen Kopf.
Er legte den Kopf zurück, wartete, bis ein dicker Tropfen Ketchup auf seiner Zunge gelandet war und stopfte dann die Fritten in etwas, das für Buffy wie ein klaffendes Maul aussah. Er kaute, während aus seinen Mundwinkeln Ketchup quoll, wischte sich dann mit dem Handrücken übers Gesicht und griff nach der zweiten Hand voll.
Buffy wandte den Blick ab. Sollte man sie ruhig einen Waschlappen nennen, diesen Anblick konnte sie jedenfalls keine Sekunde länger ertragen.
»Ich glaube, ich habe keinen Hunger, Mom.«
Joyce Summers zuckte die Schultern. »Okay«, sagte sie zustimmend. »Wenn du meinst. Aber ich dachte, deswegen wärst du hergekommen.«
Das dachte ich auch, gab Buffy im Stillen zu, während sie aus den Augenwinkeln sah, wie eine einzelne Fritte auf den Tisch fiel. Was war das bloß mit den Jungs und dem Essen?, fragte sie sich. Wenn man bedachte, wie wichtig es für sie war, hatten sie viel zu viele manuelle Probleme damit.
Buffy nahm ihre Mutter am Arm und zog sie aus dem Imbissbereich in die Haupthalle des Einkaufszentrums.
»Ich schätze, ich habe meine Meinung geändert.«
»Nun«, sagte Joyce nach einem Moment. Dann hellte sich ihr Gesicht auf. Buffy glaubte zu wissen, was als Nächstes kommen würde. »Es heißt, dass dies das Vorrecht der Frauen ist.«
Buffy tätschelte den Arm ihrer Mutter. »Netter Versuch, Mom. Aber wir befinden uns mittlerweile im 21. Jahrhundert.«
Es war Samstagnachmittag, nicht die Zeit, in der die Welt erwartete, dass Teenager mit ihren Müttern einkaufen gingen. Aber als Joyce Buffy gefragt hatte, ob sie Lust hatte, ein paar Besorgungen mit ihr zu erledigen – sofern sie keine andere Pläne hatte –, da hatte Buffy den Mund geöffnet und sie beide überrascht, indem sie das Gegenteil von Nein sagte.
Die Wahrheit war, dass es in letzter Zeit im Summers-Haushalt besonders harmonisch zuging. Wenn auch nicht so harmonisch, dass Buffy befürchten musste, ihre Mutter würde sich nach passenden Mutter-Tochter-Kleidern umsehen oder sie zu einem Ikebanakurs mitschleppen. Es gab
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