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20.000 Meilen unter den Meeren

20.000 Meilen unter den Meeren

Titel: 20.000 Meilen unter den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nieder und zerschlug den Gedanken. Wir sprangen auf. Der nächste Stein riss Conseil den Taubenschenkel aus der Hand. Das war gezielt. Wir hatten im Nu die Gewehre in der Hand.
    »Affen?«, fragte Conseil.
    »Wilde!«, rief Ned Land und dann liefen wir zum Strand, wo unser Boot lag. Seltsamerweise stürmten die Eingeborenen nicht hinterher, sondern verfolgten uns gemessenen Schrittes. Allerdings benutzten sie diese Gangart, einen Steinhagel aus Schleudern auf uns niedergehen zu lassen, außerdem flogen mehr oder weniger gezielte Pfeile.
    Als wir ins Boot sprangen, sah ich, dass der Kanadier so geistesgegenwärtig und so fleischversessen gewesen war, die tranchierten Fleischstücke von Schwein und Känguru mitzunehmen. Unsere Eile hatte sich doch gelohnt, denn wir waren kaum 50 m weit entfernt, da standen die Eingeborenen wild heulend bis zum Gürtel im Wasser. 20 Minuten später schraubten wir das Boot wieder am Rumpf der Nautilus fest. Ich ging hinab in den Salon.
    Der Kapitän saß an der Orgel und spielte.
    »Kapitän!«, sagte ich.
    Er rührte sich nicht.
    »Kapitän!«, sagte ich lauter und berührte ihn mit der Hand.
    Er zuckte zusammen.
    »Ah, Professor. Nun, haben Sie schön gejagt und botanisiert?«
    »Jaja. Aber leider haben wir die Aufmerksamkeit der zweifüßigen Art erweckt.«
    »Zweifüßler?«
    »Wilde.«
    »Und das wundert Sie? Es wundert Sie, Herr Professor, dass Sie nur einen Fuß an Land setzen und schon Wilde treffen? Wo passiert Ihnen das nicht? Dazu brauchen Sie nicht nach Neuguinea zu reisen.«
    »Bitte, Kapitän …«
    »Ich jedenfalls habe überall an Land nur Wilde getroffen«, fuhr er mich barsch an.
    »Wenn Sie nicht wollen, dass Sie auch hier an Bord noch einige treffen, müssen Sie etwas unternehmen!«
    »Kein Grund zur Unruhe.«
    »Aber es sind eine ganze Menge!«
    »Wie viele denn?«
    »Mindestens 100.«
    »Tja, dann!«, sagte der Kapitän und begann wieder auf der Orgel zu spielen. »Und wenn es alle Papuas von Neuguinea wären, Herr Professor: Der Nautilus können sie nichts anhaben.«
    Er hatte mich bereits wieder vergessen, er spielte und es fiel mir wieder auf, dass er fast nur die schwarzen Tasten seines Instruments benutzte, was seiner Musik eine schottische Färbung gab.
    Die Nacht verlief trotz meiner Befürchtungen ruhig. Aber als ich am nächsten Morgen gegen sechs Uhr an Deck trat, sah ich, dass sich die Eingeborenen gewaltig vermehrt hatten. Am Ufer der Insel Queboroar brannten Wachfeuer. Einige der kühnsten hatten sich, die Ebbe ausnutzend, auf den Koralleninselchen weiter zu uns herangewagt. Ich konnte sie gut erkennen: echte Papuas von athletischem Wuchs, ein schöner Menschenschlag mit breiter, hoher Stirn, dicker – aber nicht platter – Nase und weißen Zähnen. Ihr wolliges rotes Haar stach leuchtend gegen die glänzende schwarze Haut ab. Die meisten von ihnen gingen nackt, nur die Häuptlinge und Frauen trugen einen Schurz aus Pflanzen.
    Einer von diesen Häuptlingen wagte sich sehr nah an die Nautilus heran und ich hätte ihn ohne Schwierigkeiten erlegen können. Natürlich tat ich das nicht, denn es schickt sich für Europäer nicht, gegenüber Eingeborenen den Angreifer zu spielen.
    Ich beschloss gegen Mittag, als die neugierigen Späher sich wieder auf die Insel zurückgezogen hatten, mit Conseil in dem klaren Wasser um die Nautilus nach seltenen Meerestieren zu fischen. Das Geschäft blieb zwei Stunden lang ohne Erfolg und wir zogen mit unseren Netzen nur die allergewöhnlichsten Meeresbewohner heraus. Dann aber geschah es: Conseil öffnete nichts ahnend ein Netz und da entrang sich meiner Kehle ein Aufschrei des Muschelkenners, also der durchdringendste Schrei, dessen die menschliche Kehle fähig ist. Conseil begriff nicht, was los war, als ich ihm die Schnecke vor die Nase hielt, die ich aus seinem Netz gegriffen hatte.
    »Na und? Was ist das? Eine ganz schlichte Purpurschnecke, Ordnung Weichtiere, Familie …«
    »Jaja, alles richtig. Aber sie ist nicht rechtsherum eingedreht, sondern linksherum!«
    »Nicht möglich!«
    »Eine linksläufige Schnecke!«, wiederholte Conseil mit klopfendem Herzen.
    »Schau dir die Spirale mal genau an!«
    Er nahm das Tier mit zitternden Händen und sagte: »Monsieur muss mir glauben, dass ich noch niemals so erschüttert war!«
    Dazu hatte er auch einigen Grund! Man weiß ja, dass die Rechtsausrichtung ein Naturgesetz ist, dass linksläufige Schnecken die ganz große Ausnahme sind und von Liebhabern mit schwerem Gold

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