20.000 Meilen unter den Meeren
bezahlt werden.
Noch während Conseil das kostbare Stück in stummer Bewegung anstarrte, traf ein Stein seine Hand und zerstörte die Schnecke. Ich schrie auf, Conseil riss ein Gewehr hoch, schoss und traf einen der Eingeborenen am Handgelenk.
»Conseil, hör auf zu schießen!«
»Aber die haben doch angegriffen!«
»Eine Schnecke gegen ein Menschenleben, was ist denn das für ein dämliches Verhältnis. Leg die Flinte hin!«
Die Lage war allerdings inzwischen wirklich bedrohlich geworden. Eine Anzahl Einbäume kreuzte bereits um die Nautilus und die ersten Pfeilschauer flogen zu uns herüber. Wir flohen ins Innere.
Der Salon war leer, aber ich überlegte nicht lange, sondern klopfte am Zimmer des Kapitäns. Beim Eintreten fand ich ihn in algebraische Berechnungen vertieft.
»Störe ich?«
»Allerdings. Aber ich nehme an, dass Sie wichtige Gründe dazu haben.«
»Ja. Die Schwarzen nähern sich auf Einbäumen.«
»Dann machen wir eben die Luken zu.«
Und er gab über einen elektrischen Schalter den Befehl dazu an den Maschinenraum.
»Erledigt. Noch etwas?«
»Ja, und morgen? Wenn wir die Luken zur Lufterneuerung wieder öffnen müssen?«
»Ah, Sie glauben, dass die Eingeborenen an Bord kommen?«
»Ich bin überzeugt davon.«
»Na, dann sollen sie mal kommen. Ich will sie nicht daran hindern. Es sind arme Teufel und ich möchte nicht, dass mein Besuch vor ihrer Insel auch nur einen von ihnen das Leben kostet.«
Ich wollte mich nach dieser Antwort zurückziehen, aber der Kapitän lud mich jetzt zum Sitzen ein. Ich musste ihm unsere Landausflüge der vergangenen Tage genau schildern, dann kamen wir auf verschiedene andere Dinge zu sprechen. Er wusste, dass die Nautilus an beinahe der gleichen Stelle festlag, an der auch d’Urville fast gescheitert wäre.
»Ein guter Mann, d’Urville«, sagte er. »Einer Ihrer besten Seefahrer. Nachdem ihm die Eisbänke des Südpols, die Korallen von Ozeanien und die Wilden im Pazifik nichts anhaben konnten, musste er auf der Eisenbahn verunglücken. Trauriges Schicksal für einen Seemann.«
Und ich merkte, dass in diesen Worten alles Mitgefühl des Kapitäns schwang. Wir sahen uns auf verschiedenen Karten die Reisen d’Urvilles an.
»Was er über Wasser geleistet hat, tue ich unter dem Meeresspiegel«, sagte Nemo. »Natürlich konnten sich seine Nussschalen nicht mit der Nautilus vergleichen.«
»In einem Punkt schon.«
»In welchem?«
»Beide sind an fast derselben Stelle gestrandet.«
»Die Nautilus ist nicht gestrandet, werter Herr«, sagte Nemo kalt und erhob sich. »Morgen um 14.40 Uhr wird sie ihre Fahrt fortsetzen. Auf Wiedersehen.«
In dieser Nacht hörten wir bereits das Lärmen und Füßetrampeln der Wilden an Deck. Ich schlief schlecht, das gebe ich zu. Bis Mittag rührte sich am nächsten Tag kein Mensch an Bord. Auch der Kapitän ließ sich nicht blicken. Zehn Minuten vor dem angegebenen Termin befand ich mich im Salon und konnte dort schon das leise Knirschen hören, mit dem die Nautilus sich, von der Flut getragen, Zentimeter um Zentimeter vom Korallenboden abhob. Um 14.35 Uhr erschien der Kapitän.
»Wir sind im Begriff zu fahren«, sagte er.
»Und die Papuas?«
»Die Papuas?« Er zuckte die Achseln. »Kommen Sie mit!«
Wir traten auf den Gang hinaus und hörten dort das Geheul über uns. Ned Land und Conseil standen an der Leiter, die zur Ausstiegsluke führte, und sahen mit gemischten Gefühlen, wie die Luke geöffnet wurde.
Als der Deckel zurückschlug, erschienen gleich zwanzig Gestalten auf einmal an der Öffnung. Aber der Erste, der die Hand ans Treppengeländer legte, wurde von einer unsichtbaren Gewalt gepackt und zurückgeworfen, sodass er mit grässlichen Schreien entfloh. Den nächsten beiden erging es ebenso. Ned Land wollte jetzt hinaufstürzen und den Rest verjagen, aber kaum hatte er das Geländer berührt, als er ebenfalls wie vom Blitz getroffen zurückgeschleudert wurde.
Jetzt wusste ich, dass Nemo dieses Geländer elektrisch laden konnte und damit einen undurchdringlichen Zaun zwischen jeden Angreifer und die Bordbewohner legte. Neds Attacke war gar nicht mehr nötig gewesen, die Papuas zogen sich allein zurück, in heillosem Schrecken. Und während wir dem fluchenden Kanadier noch die Glieder massierten, merkten wir, dass die Nautilus wieder frei schwamm, getrieben von der gleichmäßig dröhnenden Umdrehung ihrer Schraube.
13. Kapitel
Am 10. Januar begann die Nautilus plötzlich, Tempo vorzulegen, und erreichte eine
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