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20.000 Meilen unter den Meeren

20.000 Meilen unter den Meeren

Titel: 20.000 Meilen unter den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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etwas hastiger als sonst, beherrschte sich aber vollkommen. Er ging mehrmals an mir vorüber, ohne Notiz von mir zu nehmen. Mir wurde dieses geheimnisvolle Benehmen zu bunt, ich stieg kurz entschlossen hinab, holte mir aus meinem Zimmer ein Fernglas und ging damit wieder zur Plattform hinauf. Der Erste Offizier beobachtete inzwischen auch wieder mit dem Glas vor den Augen und er war so erregt dabei, dass die Worte, die er ausstieß, sicher Flüche waren. Ich stützte mich mit den Ellenbogen auf das Scheinwerfergehäuse und setzte das Glas an.
    Im gleichen Augenblick wurde es mir aus der Hand gerissen. Ich drehte mich um und sah in die entstellten Gesichtszüge des Kapitäns, der dicht hinter mich getreten war. Die Augen waren fast völlig hinter die tief hängenden, drohenden Brauen zurückgetreten, der Kopf mit den gebleckten Zähnen saß tief zwischen den Schultern, die Fäuste hielt er geballt, den ganzen Körper sprungbereit gespannt: Eine Gestalt, die der Hass verzerrt!, durchfuhr es mich. Es kochte in ihm, aber er rührte sich nicht, zwang sich eisern, still zu stehen und an mir vorbeizusehen, und nach und nach gelang es ihm, sich zu beherrschen; eine Hand öffnete sich, mein Glas, das er mir weggerissen hatte, fiel zu Boden, ohne dass er sich danach bückte.
    Er sprach einige Worte in der fremden Sprache, dann wandte er sich mir zu und sagte kühl und bestimmt : »Monsieur, ich nehme jetzt die Zusage in Anspruch, die Sie mir gaben.«
    »Was ist los, Kapitän?«
    »Ich muss Sie und Ihre Gefährten einschließen, bis es mir angebracht erscheint, Sie wieder freizulassen. Also auf unbestimmte Zeit.«
    »Bon. Sie haben zu befehlen. Aber darf ich mir eine Frage erlauben?«
    »Nein.«
    Also stieg ich hinab zu Conseil und Ned Land und ich hatte kaum erklärt, was jetzt geschehen werde, da brachten uns auch schon vier Männer in jene Zelle, in der wir die erste Nacht hatten schlafen müssen. Die Tür schloss sich, wir waren eingesperrt. Meine Gefährten bestürmten mich, sie aufzuklären, aber ich wusste selber nicht, welchen Sinn ich den erlebten Vorgängen geben sollte. All das reimte sich nicht und machte mir den Kopf mit Gedanken schwer.
    Plötzlich riss mich der Kanadier aus dem Grübeln: »Na, wenigstens ist der Frühstückstisch gedeckt.«
    Nemo musste den Befehl dazu schon gegeben haben, als er die Nautilus mehr Fahrt machen ließ. Das Einschließen war also nicht auf meine Neugier mit dem Fernglas zurückzuführen. Vielmehr würden in der nächsten Zeit wohl Dinge geschehen, die uns für immer ein Geheimnis bleiben sollten.
    Das Essen schmeckte, aber es machte uns nicht heiter. Die Unsicherheit der nächsten Stunden ließ keinen rechten Appetit aufkommen. Wir lagerten uns bald jeder in einem Winkel auf den Boden und kaum saßen wir, ging das Deckenlicht aus. Ned Land schlief da bereits. Auch Conseil begann unzusammenhängende Dinge zu erzählen, sich durch Gähnen unterbrechend, und dann, während ich noch staunend über die plötzliche Schlafsucht grübelte, fühlte ich in meinem Kopf eine langsame, unwiderstehliche Betäubung wirken, gegen die alle Willenskraft machtlos war, die mir die Augen schloss und das Bewusstsein raubte. Der letzte Eindruck war der einer großen Kälte in allen Gliedern und das Gefühl des völligen Stillstands.

14. Kapitel
    Ich wachte am anderen Morgen mit bemerkenswert freiem Kopf auf und stellte fest, dass ich auf dem Bett in meiner Kabine lag. Ich konnte mich an keinen Vorfall dieser Nacht erinnern. Befand ich mich wieder in Freiheit? Die Tür meiner Kabine war unverschlossen. Ich trat auf den Gang hinaus, ging bis zur Leiter mittschiffs und stieg zur Plattform empor. Dort traf ich Ned Land und Conseil.
    Beide waren schon seit einiger Zeit auf und hatten mich nicht wecken wollen. Ich fragte, ob sie sich an irgendetwas erinnern könnten, das in dieser Nacht geschehen war: nichts. Im Schiffskörper war es noch ruhiger als sonst, wir trieben mit geringem Schraubenschlag an der Meeresoberfläche in westlicher Richtung. Ned Land hatte mit Späherblicken bereits das Meer abgesucht: nirgends Land, aber auch keine Spur von einem Segel, einem Mast, einem Boot. Bald tauchten wir wieder, aber nicht tief, kamen wieder hoch, tauchten erneut und jedes Mal trat der Erste Offizier auf die Plattform und sprach den gewohnten unverständlichen Satz.
    Bis mittags sah ich auch nichts vom Kapitän, aber als ich mich um 14 Uhr im Salon aufhielt, trat er plötzlich herein. Ich grüßte, aber er

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