2008 - komplett
hatte, wenn eine Dame eintrat, doch er fürchtete, er sei vom langen Sitzen so steif, dass sie ihm genau das ansehen würde, wenn er sich erhob. Er wollte sich nicht selbst in Verlegenheit bringen, indem er mühsam versuchte, aus dem Schneidersitz aufzustehen, daher nickte er ihr zum Gruß nur kurz zu und sah dann wieder sein Pferd an, während er hoffte, dass seine Sorge um Cassius Entschuldigung genug für sein Verhalten war.
Offenbar war das auch der Fall, denn sie ließ sich keinerlei Verärgerung anmerken, als sie den Korb neben ihm abstellte, die Lampe auf dem Boden platzierte und auf der gegenüberliegenden Seite der Box auf einem Hocker Platz nahm. „Geht es ihm schlechter?“, fragte sie leise.
„Nein, zu meiner Freude geht es ihm sogar ein wenig besser.“
„Ihr werdet bei Sonnenaufgang mehr Bergminze benötigen. Ich hole meine Medizinscha...“
Er hob seine Hand, um sie zu unterbrechen. „Es dauert noch eine Weile, ehe wir sie brauchen. Leistet mir stattdessen noch ein wenig Gesellschaft. Ich habe zu viele einsame Nachtwachen hinter mich bringen müssen, da wäre ich froh, wenn Ihr noch ein wenig bleiben würdet.“
Sie sank zurück auf den Hocker. „Wie Ihr wünscht.“ Seufzend betrachtete sie Cassius.
„Er ist ein sehr schöner Hengst.“
„Ihr hättet ihn sehen sollen, als er noch jünger war.“ Dann lächelte er wehmütig. „Ich wünschte, Ihr hättet mich gesehen, als ich noch jünger war.“
Katherine wich seinem Blick aus. „Ich habe auch einsame Nachtwachen erlebt, wenn eines der Mädchen krank war. Oft habe ich dann gedacht, wie schön es wäre, wenn mir jemand etwas Brot mit Käse oder ein wenig Wein bringen würde, deshalb habe ich Euch jetzt Verpflegung gebracht.“
„Ich gestehe, ich hatte bereits vermutet, dass sich das in Eurem Korb befindet.“ Er streckte sich und schlug das Leinentuch zur Seite, das über dem Korb lag. „Das ist wahrlich willkommen.“ Er nahm den kleinen Laib Braunbrot heraus und biss genussvoll davon ab.
„Vermutlich habt Ihr Euch schon oft um kranke Pferde gekümmert.“
„Ein paar Mal“, bestätigte er.
„Ich wage zu behaupten, dass es für einen Mann wie Euch schwieriger sein muss, allein zu sein.“
„Einen Mann wie mich?“
„Einen Mann, der sich so offensichtlich an der Gesellschaft anderer Menschen erfreut.“
„Oh, manchmal braucht sogar ein Mann wie ich ein wenig Ruhe.“ Wieder lächelte er kläglich. „Überrascht Euch das?“
„Ich muss zugeben, Ihr erscheint mir nicht wie ein Mensch, der die Einsamkeit genießen kann.“
„Ich genieße sie nicht“, gab er zurück. „Ich sagte, manchmal brauche ich sie. Zum Beispiel wenn ich eine Wette verloren habe und bereit bin, jedem ins Gesicht zu springen, der mich nur schief ansieht. Dann möchte ich allein sein. Oder wenn ich müde oder krank bin.“
„Ich gestehe, mir tut es gut, eine Weile allein zu sein, wenn ich einen Tag mit den Mädchen verbracht habe. Es würde Euch erstaunen, wie viel sie über die einfachsten Dinge zu sagen haben! Das ist einer der Gründe, warum niemand Zutritt zu meinem Allerheiligsten hat.“
„Euer Allerheiligstes?“
„Mein Schlafgemach“, erklärte sie. „Niemand außer mir darf es betreten. Ich hörte die Mädchen tuscheln, als sie überlegten, welche Schätze ich dort wohl aufbewahre, aber in Wahrheit ist es sehr karg eingerichtet und ...“
Sie ließ den Satz unvollendet, als ihr bewusst wurde, dass seine Miene ihr ein unverschämt wohliges, warmes Gefühl bereitete.
Wäre sie doch bloß nicht hergekommen. Sie hatte überlegt, Hildegard mit dem Essen zu ihm zu schicken, sich dann aber anders entschieden, weil es vermutlich sicherer war, wenn sie selbst ging. Ansonsten würde Hildegard womöglich noch etwas tun, das Schande über ihren Haushalt brachte.
Wenn sie jetzt allerdings nicht aufpasste, konnte ihr das Gleiche widerfahren.
Sie musste sich vor Augen halten, dass dieser Mann noch so attraktiv sein konnte –
sie war und blieb die ernsthafte, würdevolle Lady Katherine DuMonde. Dennoch hielt sie das nicht davon ab, ihm noch eine Frage zu stellen. „Wart Ihr je verheiratet?“
„Nein. Ich habe mir nie die Zeit genommen, ernsthaft darüber nachzudenken“, antwortete er leichthin. „Ich war zu sehr damit beschäftigt, Siege zu erringen und Preise überreicht zu bekommen.“
„Mit Erfolg?“
„Manchmal ja“, erwiderte er, als sei er zu bescheiden, um in allen Einzelheiten von den zahlreichen, wundervollen Preisen zu
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