2008 - komplett
erkannte, während seinen Dienern vor Schreck die Luft wegblieb. Sie alle standen da und sahen die Gruppe ungläubig an, als die Frau die Kapuze nach hinten schob und den Blick auf einen schwarzen Lockenkopf freigab. Die wallende volle Mähne fiel bis weit über ihren grünen Wollmantel.
„Hm! Na ja, wenigstens hat sie dunkles Haar“, murmelte Wilda.
Campion musste zunächst sein Erstaunen überwinden, bevor er einen Schritt nach vorn machte. Auch wenn er nichts darauf gab, die Stimmung der Festtage auf der Grundlage der Haarfarbe eines Gastes vorherzusagen, war er doch überrascht, dass eine Frau bei so schlechtem Wetter und zudem an Heiligabend noch unterwegs war.
„Vater, darf ich dir Lady Warwick vorstellen, die eine Zuflucht vor dem Sturm sucht“, sagte Reynold und trat vor.
„Mylady“, erwiderte der Earl mit einem Kopfnicken. „Ich bin Campion und heiße Euch in meinem Haus willkommen. Nehmt doch bitte Platz und erholt Euch von Eurer Reise.“ Die Frau mit dem blassen ovalen Gesicht nickte, woraufhin Campion seinen eigenen, schweren Stuhl vor den Kamin schob. Wortlos ließ sie sich darauf nieder, während er neben ihr stehen blieb und die übrigen Mitglieder ihrer Gruppe musterte.
Er erkannte noch eine Frau, nicht so vornehm gekleidet wie die erste und vermutlich eine Dienstmagd, ferner einige bewaffnete Krieger und eine Handvoll Diener, aber kein Mann war dabei, der ihr Begleiter hätte sein können. Campion überlegte, ob es wohl einen Zwischenfall gegeben hatte, der das Fehlen eines solchen Mannes und die Anwesenheit der Gruppe in seinem Heim erklärt hätte. Seine eigenen Bediensteten nahmen nasse Mäntel entgegen und brachten der Gruppe, die sich nahe dem Kamin zusammengekauert hatte, warme Decken. Campion selbst schaute wieder zu der dunkelhaarigen Frau.
Ihr üppiges Haar erstaunte ihn, trugen doch nur wenige unverheiratete Damen es so offen wie sie. Obwohl es noch feucht war, hatte Campion solch schwarze Locken noch nie gesehen, die so voll und fest wirkten, dass er sich versucht fühlte, nach einer von ihnen zu greifen, um sie fühlen zu können. Er unterdrückte diesen sonderbaren Wunsch und sah zu, wie die schwere Mähne über eine schlanke Schulter glitt. Seine Aufmerksamkeit wanderte derweil weiter nach unten, da die Dame begonnen hatte, ihre Stiefel auszuziehen.
Ganz offensichtlich war ihr Schuhwerk durchnässt und bereitete ihr kalte Füße, dennoch war Campion einen Moment lang verblüfft. Bestimmt wollte sie sich lieber ungestört ihrer Kleidung entledigen, weshalb er sich vorbeugte, um ihr ein Gemach anzubieten, in dem sie ungestört war. Doch aus unerfindlichen Gründen wollte sein Mund kein einziges Wort bilden, während sie mit ihren schmalen Händen an dem Strumpf unter ihrem Saum zog. Er erhaschte einen Blick auf blasse Haut, auf den Schwung eines wohlgeformten Knöchels und den Rist eines zierlichen Fußes. Sofort bekam er sich aber wieder in den Griff und straffte seine Schultern.
Er schaute kurz zu Wilda, die mit dem Rücken zu ihm stand, und stellte erleichtert fest, dass die abergläubische Frau Lady Warwicks Zehen nicht zu sehen bekommen hatte, da eine barfüßige Frau am Weihnachtsfeuer nicht willkommen gewesen wäre, wenn es nach ihrem albernen Glauben ging. Vielleicht hatte es etwas damit zu tun, dass der Anblick ihn so aufwühlte, redete Campion sich ein, der selbst Mühe hatte, seine Fassung wiederzuerlangen.
Es war schon lange her, seit er sich das letzte Mal in der Gesellschaft einer Frau befunden hatte, die nicht zu seiner Familie gehörte, weshalb er womöglich den Anschluss an veränderte Verhaltensweisen verpasst hatte. So oder so war schnelles Handeln erforderlich, da jeder in der Gruppe vielleicht Erfrierungen davongetragen hatte. Es war seine eigene Reaktion, die getadelt werden musste, überlegte Campion betrübt. Für seinen unverhohlenen Blick und für die durchdringende Hitze, die sich beim Anblick von ein wenig nackter Haut in seinem ganzen Körper auszubreiten begann, gab es keine Entschuldigung. Er war längst viel zu alt für solchen Unfug!
„Wir haben ein Gemach für Euch vorbereitet, Mylady“, sagte er mit so belegter Stimme, dass er sich räuspern musste. Widerstrebend sah er wieder zu der Frau, doch sie hatte bereits ihre Füße unter ihren Röcken verschwinden lassen und nahm von einem Diener einen Kelch mit gewürztem Wein entgegen.
„Vielen Dank, Mylord. Ich muss zugeben, ein warmes Bett wäre jetzt sehr willkommen.“ Diese Aussage
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