2009 - komplett
nachlässig über die andere Schulter gerutscht war. Ihr entblößter Hals war so glatt und hell wie Alabaster. Das Gesicht konnte er nicht erkennen, denn ihr Blick war auf die Nadeln gerichtet, die klappernd in ihren Händen tanzten. Neugierig sah er sich um, weil er wissen wollte, wo er war. Eine Hütte. Die Wände waren mit Fellen behängt. Es roch nach Holzrauch, vermischt mit einem Rest von Essensduft. Er entdeckte die Tür, die von innen verriegelt war, um Eindringlinge draußen zu halten. An der gegenüberliegenden Wand führte eine Leiter zu einem Hängeboden. Dort oben konnte er Gestalten ausmachen, aber er war nicht fähig, sie zu zählen.
Hatte man ihn in das Land seines Feindes gebracht? Langsam griff er mit der Hand an seinen Schenkel und suchte den Dolch, den er immer an der Hüfte trug. Seine Finger fühlten nur das eigene Fleisch. Man hatte ihm die Kleider ausgezogen. Und ihm die einzige Waffe genommen. Jetzt hatte er nichts mehr als seine List. Er würde das Überraschungsmoment als Waffe nutzen müssen. Falls draußen Wachen aufgestellt wären, würde er die Frau als Schild benutzen.
Durch einen Nebel von Schmerzen sammelte er seine Kräfte für das, was kommen würde, und war gewillt, die Fesseln zu sprengen, die ihn hielten. Er staunte über seine Schwäche. Trotz all seiner Bemühungen weigerte sich sein Körper, zu reagieren.
Mit einer letzten Kraftanstrengung gelang es ihm, sich aufzusetzen. Bei dieser Bewegung rutschten ihm die Felle bis zur Taille hinunter, bevor er hilflos wie ein Kind wieder zurücksank. Er hatte gerade noch genug Kraft, um überrascht nach Luft zu schnappen.
Die Frau sah zu ihm hin. Und in diesem Augenblick gewahrte er das schönste Gesicht, das er je gesehen hatte. Eine Haut so hell, dass sie einen Engel beschämen würde. Hohe Wangenknochen und vollkommen gezeichnete Lippen, die jetzt vor Staunen halb geöffnet waren. Und diese Augen. Grün waren sie, mit kleinen goldenen Flecken. Sternenaugen, dachte er, als sie sich ihm jetzt zuwandte.
„Du lebst also.“ Sie ließ Garn und Nadeln fallen und legte ihm die Hand auf die Stirn.
Die Berührung war sanft, so zart wie eine Liebkosung.
„Tue ich das?“ Bei der Anstrengung, die ihn diese einfachen Worte kosteten, zuckte er zusammen. Seine Kehle war trocken, und jeder Atemzug tat ihm weh.
„Du hast hohes Fieber. Hast du Schmerzen?“
„Ja.“
Er betrachtete sie so eindringlich, dass Lindsay ein unangenehmer Schauer überlief.
Trotzdem konnte sie nicht leugnen, dass sie ein wenig Befriedigung empfand, weil sie jetzt endlich die Antwort auf ihre frühere Frage erhalten hatte. Seine Augen waren blau. So blau wie der Himmel über dem Hochland.
Langsam ließ sie den Blick über ihn gleiten. Während er bewusstlos gewesen war, musste er nackt sein, damit sie seine Wunden hatte versorgen können. Jetzt stellte sie fest, dass sie ihn auf eine andere Art betrachtete. Der Anblick seines harten, muskulösen Körpers rief ein seltsames Prickeln in ihrer Magengrube hervor.
Sie hatte das Gefühl, etwas tun zu müssen, und wandte sich ab. „Ich hole dir ein Schlafmittel.“
Er ließ sie nicht aus den Augen, während sie den Raum durchquerte und mit einem Becher voll Flüssigkeit zurückkehrte. Sie setzte sich zu ihm, legte eine Hand hinter seinen Kopf und hob ihn sanft an, bis er ihn hoch genug hielt, um trinken und schlucken zu können. Hoch genug, wie er feststellte, dass sein Mund eine feste, schwellende Brust berühren könnte, wenn er sich nur hätte bewegen können. Der Gedanke ließ erneut Hitze in ihm aufsteigen, die ihm den Schweiß auf die Stirn trieb.
Als sie das Glas an seine Lippen hob, schnüffelte er und fuhr zurück. „Es riecht ...
scheußlich.“
„Ja. Es tut mir leid. Aber trinke es. Bald wirst du dankbar dafür sein.“
Er tat, wie ihm geheißen, und zwang sich, sich dabei auf den verführerischen Spalt zwischen ihren Brüsten zu konzentrieren. Wenn ich immer noch derart auf die Nähe einer Frau reagieren kann, bin ich wohl nicht mehr dem Tod nahe, dachte er. So dicht bei ihm roch sie so frisch und sauber wie ein Kiefernwald. Als sie sich vorbeugte, kitzelten ihre Haare ihn an der Brust. Gefühle übermannten ihn, die sogar noch stärker waren als der Schmerz.
Im Nu war das Glas leer, und fast bedauerte er, dass sie ihn jetzt wieder zurücksinken ließ.
„Wer bist du?“, brachte er flüsternd heraus. „Wohin hast du ... mich gebracht?“
„Ich heiße Lindsay Douglas. Und du bist im Haus
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