2009 - komplett
vorzufinden, die schwer zu verheiraten war. Falls diese hier irgendwelche Mängel besaß, so waren sie jedenfalls nicht sichtbar.
Sie hatte kleine Brüste und eine schmale Taille. Nicht die Art von Frau, die Ian sich gewöhnlich zu seinem Vergnügen aussuchte, aber was das betraf, hatte es für ihn ohnehin keine große Auswahl gegeben. Keine von ihnen war eine Dame gewesen.
Dass diese hier so anders war, machte sie für ihn umso begehrenswerter.
Er schlüpfte aus dem nassen Mantel und warf ihn Berthilde zu, der kecken kleinen Magd, die dauernd herbeilief, wo und wann immer er auftauchte. Das leichtfertige Frauenzimmer kicherte scheu und trippelte davon, ohne auf die wütenden Blicke der Frau zu achten, die die Gastgeberpflichten übernommen hatte.
Ian fuhr sich mit der Hand durch die Haare und versuchte, eine Falte in seiner Tunika zu glätten. Er trug das beste Gewand, das er besaß. Es war passabel, aber nicht zu fein und durch den Ritt im strömenden Regen über die Hügel und durch die Sümpfe bestimmt nicht schöner geworden. Kein Wunder, dass diese anziehende Fremde ihn bei den Pferden unterbringen wollte.
Er gab den nutzlosen Versuch, seine Kleidung zu richten, auf und erwiderte das grüßende Nicken seines Gastgebers, der in diesem Augenblick auf ihn zukam.
„Willkommen, Ian! Wie ich sehe, habt ihr beiden euch schon getroffen“, stellte Alan of Strode fest und deutete mit dem Kopf zu der Frau hinüber.
„Wir sind uns noch nicht vorgestellt worden“, gestand Ian und nahm den Bierhumpen entgegen, den Alan ihm in die ausgestreckte Hand drückte. Es war Brauch zwischen ihnen beiden, sich so zu begrüßen, wenn sie sich besuchten. Früher einmal hatten sie entschieden, dass es ihrer streitfreudigen Freundschaft guttat, wenn sie durch ein starkes Getränk besänftigt wurde. Und sie hatten wahrhaftig ihre Streitigkeiten gehabt, er und Alan.
„Soll ich mal raten, was im Gange ist?“, fragte er listig und hob den Humpen, um einen guten Schluck von dem warmen, mit Honig gewürzten Bier zu nehmen.
„Jetzt nicht“, meinte Alan, warf einen raschen Blick auf die Frau und räusperte sich.
„Ian, darf ich dir Lady Juliana Strode vorstellen? Sie ist vor kurzem aus Gloucester gekommen. Ihr Vater, Gott hab ihn selig, war ein Bruder meines Vaters. Juliana, das ist unser Nachbar, Sir Ian Gray of Dunniegray. Er ist gekommen, um Michaeli mit uns zu feiern“, erklärte Alan.
Ian verbeugte sich elegant und stellte fest, dass Julianas kurzer Knicks nicht gerade respektvoll war. Nicht, dass er es ihr übel nahm. Es gefiel ihm, dass sie nicht jedem Mann, den sie kennenlernte, gleich zu Füßen fiel. „Ich bin entzückt, Mylady“, begann er das Gespräch. „Und ich freue mich über den Grund meines Besuchs hier.“
„Oh? Ihr habt morgen einen Fall vor Gericht?“, fragte sie.
Ihre Stimme klang ähnlich, wie sein Met schmeckte, fand Ian, weich, warm und mit einem kleinen Hauch Schärfe darin. Würde der Geschmack ihrer Lippen dem Vergleich standhalten? Er nahm sich vor, das herauszufinden.
„Nein, ich bringe keine Klage vor, noch muss ich mich einer Klage stellen, Mylady. Ich kam einzig und allein, um Euch zu sehen.“ Ihr Gespräch hatte keinen guten Anfang genommen. Ian würde es wiedergutmachen müssen.
Grundlos schien sie nun wirklich pikiert zu sein. Vielleicht hegte sie auch den Verdacht, dass sie beide das Ziel der Kuppelversuche ihres Cousins waren. Wenn die kleine Kit ihr das Gleiche erzählt hatte wie ihm, dann wunderte es Ian nicht, dass die Frau wütend war.
Eine so stolze Dame wie sie würde es verletzen, wenn die Strodes sie „aus den Händen geben“ wollten. Noch würde es ihr gefallen, Gegenstand eines Handels zu sein, obwohl das der übliche Gang der Dinge war.
Ian entschied hier und jetzt, dass er mit Strode, was das Geschäftliche dieses Arrangements betraf, nicht handeln würde. Sicher würde sie beträchtliches Vermögen mit in die Verbindung bringen. Und alles war besser als das Nichts, das er jetzt besaß.
Eine Liebesheirat würde Juliana of Strode erlauben, ihre Würde zu behalten, die ihr so gut stand. Wenn er ihr ein paar Tage lang den Hof gemacht hatte, konnte er so tun, als wäre ihre Verbindung eine Liebesheirat. Und wenn man bedachte, wie sehr sie bereits jetzt sein Interesse weckte, würde seine Erklärung vielleicht gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt sein. Ihre Nähe weckte in ihm so etwas wie ein Blitzgewitter, das keine andere Frau je bei ihm hervorgerufen
Weitere Kostenlose Bücher