2.01 Donnerschlag
das ist mein Schicksal!“ Ich blitzte ihn an. „Ihr habt noch nicht einmal mehr einen Auswechselspieler. Wenn euch noch einer verlässt, ist es das Aus. Dann gibt es die Wilden Kerle nicht mehr. Dann seid ihr Geschichte. Ach, was sage ich da. Ihr besteht ja schon jetzt nur noch aus verstaubten Geschichten. Ihr seid ja schon jetzt so morsch wie euer Camelot hier. Und da draußen warten die Wölfe. Da draußen liegt Donnerschlag !“
BAHMM! Das letzte Wort schlug wie ein Paukenschlag ein.
„ Donnerschlag ? Was?“, flüsterte Markus und schaute zu Maxi, der sein bester Freund war.
„Gibt es das wirklich?“, fragte Juli „Huckleberry“ Fort Knox und bekam dabei so weiche Knie, dass er sich setzen musste.
„Was weißt du von Donnerschlag ?“, fragte Marlon entsetzt und sprach damit aus, was alle anderen dachten.
Selbst Willi schoss diese Frage in diesem Augenblick durch den Kopf. Er stand mitten im Teufelstopf auf dem Anstoßpunkt und zuckte erschrocken zusammen, als sich der Falke mit einem Schrei in die Lüfte erhob.
„Marlon heißt Falke“, flüsterte Willi entsetzt und sah, wie der Vogel zwischen den Sternen im unendlich dunklen Schwarz verschwand.
„Was weißt du von Donnerschlag ?“, fragte Marlon noch einmal.
Er spürte die Hand von Vanessa, die seine Hand suchte, um ihn ganz sanft zum Schweigen zu bringen. Doch er gab sie ihr nicht. Er strafte sie stattdessen mit einem zornigen Blick. Er hatte die Nase gestrichen voll.
„Was weißt du? Los, sag schon!“, forderte die Nummer 10. Doch er sprach nicht mit mir, sondern mit seinem Bruder. Der war totenblass. „Leon, du hast uns gesagt, das ist alles ein Märchen. Eine Geschichte. Etwas, das es nicht gibt.“
„So, wie es euch bald nicht mehr geben wird?“, fragte ich giftig. „Und so wie das hier kein Notfall ist?“
„Halt deinen Mund!“, zischte Leon wütend.
„Ich denk nicht daran!“, zischte ich genauso wütend zurück.
Da packte er mich am Kragen und riss mich vom Boden.
„Du bist nur ein Knirps. Ein blödes Maskottchen! Mach, dass du rauskommst!“
Er stieß mich zur Tür.
„Hau ab und verschwinde! Lass dich nie wieder sehen! Denn selbst wenn du recht hast, wenn es Donnerschlag gibt, kommt dadurch keiner von den anderen zurück. Sie sind alle weg.“
Leons Stimme wurde plötzlich ganz weich.
„Und ich will nicht noch mehr verlieren. Ich will das nicht, hört ihr!“
Er starrte die Kerle an. Er spürte die Fingernägel, die sich in seine Handballen bohrten, und er fühlte die Tränen auf seinem Kinn.
„Ich will das nicht!“, sagte er noch einmal ganz leise. Doch er bekam von niemandem Trost.
Die Kerle standen und saßen in der staubigen Halle und kannten sich plötzlich selbst nicht mehr. Sie waren sich fremd geworden. Fremde auf Camelot, in der einstmals so stolzen Festung, in der sie das Heiligste aufbewahrten, was sie besaßen: die Spielerverträge. Die Spielerverträge, die sie vor so vielen Jahren vor dem Spiel gegen die Bayern mit ihrem eigenen Blut unterschrieben hatten. Aber was waren diese Verträge noch wert? Die Hälfte der Mannschaft hatte sie einfach gebrochen.
„Lass es!“, hörte ich Leons Flehen, als Marlon die staubigen, wie Piratenschatzkarten zusammengerollten Verträge jetzt aus dem alten Holzfass zog. Dem ‚Amboss‘, um den sich die Kerle immer versammelt hatten, wenn eine Gefahr den Bestand ihrer Mannschaft bedrohte.
„Lass das!“, flehte Leon, doch Marlon hörte ihn nicht.
Er brach die Siegel der Rollen auf und gab jedem der Anwesenden seinen Vertrag.
„Erinnert ihr euch?“, fragte er leise und mit zitternder Stimme, als hätte er selbst die größte Angst vor dem, was er ihnen jetzt sagen wollte. „Erinnert ihr euch? Es war nach unserem ersten Match. Dem Spiel gegen den Dicken Michi und die Unbesiegbaren Sieger . Damals dachten wir alle, dass wir die Besten sind. Wir träumten und schwärmten von unserem Sieg. Doch dann kam Rocce, der Zauberer, und mit ihm die böse Erkenntnis: Wir waren gar keine richtige Mannschaft. Wir waren nur ein Haufen kickender Jungs. Kleine verträumte, alberne Jungs, die es nie zu was bringen würden. So hat uns damals Rocces Vater beschimpft. Der große Ribaldo. Erinnert ihr euch? Wir waren stinksauer. Wir liefen zu Willi, um uns bei ihm zu beschweren. Aber der warf uns raus. Ja, er wollte nichts mehr von uns wissen. Er hat uns gesagt: ‚Ribaldo hat recht. Das war kein Beschimpfen. Er hat euch, verflixt noch mal, nur die Wahrheit
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