2011 - komplett
Geschichte zuwenden, ja? Ich halte Mr Dickens’ Verwendung der Geister für äußerst geschickt. Damit veranschaulicht er ...“
„Aber was ist mit Evan?“, unterbrach Fiona sie.
Addie hatte gewusst, dass sie bald jemand auf Sebastians jüngeren Bruder ansprechen würde, und auch, dass dieser Jemand Fiona sein würde. Einerseits empfand sie großes Mitgefühl für ihre Freundin, die ihren Vater verloren hatte und nun die schwere Bürde der Verantwortung für ihren Lebensunterhalt ganz allein tragen musste. Andererseits beneidete Addie sie um ihre Unabhängigkeit und Offenheit. Fiona würde sich niemals in einer so unhaltbaren Situation wiederfinden.
Im Gegensatz zu ihr selbst hätte Fiona schon vor Jahren ihren Gefühlen Luft gemacht. Leider hatte Addie sich nie dazu durchringen können, und nun war es zu spät. Wie mochte es sich anfühlen, genau das auszusprechen, was man empfand?
Addie wusste es nicht, und sie würde es wohl auch nie erfahren. Sollte sie jemals verraten, was in ihrem Herzen vor sich ging ... Ein Schauder durchlief sie bei dem Gedanken daran, dass sie ausgerechnet die Menschen, die sie am meisten liebte, zutiefst damit verletzen könnte.
„Addie? Hörst du mir überhaupt zu?“ Fionas Worte rissen sie aus ihren Gedanken.
„Was ist mit Evan?“
„Was meinst du?“
Fiona machte eine ungeduldige Handbewegung. „Er muss doch unglücklich darüber sein, dass du gleich mehrere Monate lang in Paris bleiben willst.“
„Ich habe es ihm noch nicht gesagt. Doch ich bin sicher, er wird sich für mich freuen.
Was die Geister der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Weihnacht angeht
...“
„Da das Trauerjahr für seine Familie jetzt vorüber ist, wird Evan sicher bei der Weihnachtsfeier verkünden, dass er gedenkt, dir den Hof zu machen“, fuhr Fiona fort.
Claire lächelte. „Ja. Es wäre das vollkommene Weihnachtsfest.“
Um nicht sofort antworten zu müssen, nippte Addie an ihrem Tee. Gewiss, ihre Familie wäre entzückt, sollte Sebastians jüngerer Bruder ein Interesse für sie bekunden. Tatsächlich erhofften sich so ziemlich alle eine solche Entwicklung.
„Nein“, sagte sie zögernd. „Zwar liebe ich Evan sehr, aber mehr wie einen Bruder, nicht wie einen zukünftigen Gatten. Und die Vorbereitungen für eine Hochzeit sollten doch erst einmal genügen.“ Sie lächelte und fügte entschlossen hinzu: „Nun zu Mr Dickens’ Geschichte ...“
„Und was für eine wundervolle Hochzeit das werden wird“, schwärmte Claire.
Addie unterdrückte einen Seufzer und wappnete sich für die Unterhaltung, die sie ganz offensichtlich nicht verhindern konnte und die ihr auch während des Weihnachtsfests gewiss nicht erspart bleiben würde. Nur noch fünf Tage blieben bis zu ihrer Abreise nach Paris. Sie würde sie durchstehen. Schließlich verbarg sie seit Jahren ihre innersten Gefühle – was waren da weitere fünf Tage? Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Es wird das Ereignis der Saison.“
„Grace und Lord Channing. Auf jeden Fall werden sie das schönste Paar im gesamten Königreich sein“, bemerkte Fiona.
Addie nickte, brachte aber kein Wort hervor. Auch wenn sie allein einen Raum betraten, gelang es ihrer wunderschönen Schwester und dem umwerfend attraktiven Viscount immer, jedermanns Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Gemeinsam würden sie einen ganzen Ballsaal voller Menschen in Staunen versetzen.
Addie schluckte mühsam und sagte dann leise: „Sie werden sehr glücklich werden.“
Und so soll es auch sein, fügte sie innerlich hinzu. Grace und Sebastian waren füreinander bestimmt. Ihre Familien hatten vor Jahren inoffiziell eine Verbindung zwischen ihnen gutgeheißen. Schon damals war allen klar gewesen, dass sie das vollkommene Paar abgeben würden. Und seit Grace vor zwei Jahren in die Gesellschaft eingeführt worden war, hatte man allgemein mit der Bekanntgabe der Verlobung gerechnet. Nur der plötzliche Tod von Sebastians Mutter hatte das Unvermeidliche hinausgezögert. Doch nun war das Trauerjahr um. Nichts stand der ungeduldig erwarteten Verlobung mehr im Wege, die jeden in Entzücken versetzen würde.
Jeden – außer mir, dachte Addie traurig.
„Ihre Kinder werden sicher genauso schön sein“, sagte Fiona und riss Addie aus ihren Gedanken. Sie sprach im selben wehmütigen, fast neidischen Ton, den die meisten Menschen anschlugen, wenn sie von Grace und Sebastian sprachen.
„Ja, gewiss.“ Addie stellte sich eine Schar von Miniaturausgaben von
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