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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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einem Spiel zu tragen. Zuletzt wurden wir mit einem Puder bestäubt, der, wie Schakal am Geruch erkannte, aus Zinnober und Knochenasche bestand. Natürlich mit einem Hauch Vanille. Ich war sicher, wir rochen und sahen so gut aus, dass uns selbst ein Gott verspeisen würde. Doch dazu waren wir nicht hier.
    Die Präparatoren stellten uns aufrecht hin, ließen Schakal ins Gleichgewicht kommen – irgendwie war er wieder am Ruder, machte im Moment aber keinen Ärger – und führten uns durch die niedrige Tür. Wir machten neun Schritte ins Helle. Sie setzten uns auf eine steife, glatte Matte. Der Oberpräparator – der, wie mir auffiel, keine Fäustlinge trug – pellte mir die klebrigen Verbände, oder was es sonst war, von den Augen und leckte die übrige Schmiere ab. Ich blinzelte.
    Wir waren in einer tiefen grünen Schlucht, die nach Osten führte, sieben Schritte vom Ufer eines Wasserlaufs entfernt. Alles war geschützt, kalt und grün und vertikal wie in Hiroshiges Zeichnung des Fudo-Wasserfalls. Man hörte das Wasser in mehreren Stufen vom Randeines Kalksteinfelsens aus vermutlich dreißig Metern Höhe herabrauschen – und das jetzt am Ende der Trockenzeit, dachte ich (oder Schakal); aber wir konnten es nicht sehen.
    Rings um unsere Matte war ein fünf Quadratmeter großer Bereich abgebrannt und mit wilden Magnolienblüten bestreut worden. Dazwischen standen flache Körbe verschiedener Größe, die alle von diversen Handelswaren überquollen: Korallenperlen, Tauschäxte aus grünem Obsidian, Zigarren, Ballen ungefärbten Flanells, Vanilleschoten, Kakaobohnen … ein ziemlicher Schatz für einen Burschen wie Schakal, der schließlich nur ein arrivierter Prolet aus der Provinz war. Fünf Männer saßen am Ostrand des Quadrats; 2-Juwelenbesetzter-Schädel mit Harpyienadlermaske und Kopfputz kauerte in der Mitte auf einer dicken geflochtenen Prunkmatte. Auf seinem rechten Handgelenk saß ein lebendiger Rotschwanzbussard, aber nicht wie bei der europäischen Falkenjagd mit Haube, sondern mit den Füßen an einen dicken hölzernen Armreif gebunden. Von 2-Juwelenbesetzter-Schädel war vor lauter Jadeschnüren kaum Haut zu sehen, und mitten auf der Brust hing wie ein Claude-Glas ein großer ovaler Spiegel, der aus einem einzelnen Stück Pyrit geschliffen war.
    Mann, er sah richtig gut aus.
    Zu seiner Rechten saßen zwei Repräsentanten der Harpyien-Hüftballbrüder. Der eine war Hun Xoc, der mit dem glatten, freundlichen Gesicht. Er war Schakals Hauptabwehrspieler gewesen. Der andere war ein viel älteres Geblüt und sah aus wie Ben Grimm, das Ding von den Fantastischen Vier, nur kleiner und schmuddeliger. Ich spürte, wie Zuneigung in Schakal aufkeimte, obwohl oder gerade weil der Bursche ihn bei mehreren Gelegenheiten beinahe tödlich geschlagen hatte. Name und Titel sprangen mir in den Sinn: 3-Walzen, der Joch-Verwalter des Hüftballspielvereins der Harpyien. Der Titel besagte im Grunde, dass er der Trainer war. Er war Schakals zweiter Onkel und ein adoptierter Neffe von 2 JS , und sein Spitzname war Drei Eier, aus dem einfachen Grund, dass er entschieden mehr más macho war als jeder andere. Ehe er Schakals Lehrer und erster Pflegevater wurde, war er ein legendärer Blocker gewesen, ungeschlagen, doch in seinem letzten Match vor achtzehn Spielzeiten war er schwer verletzt worden. Eshatte ihn ziemlich übel erwischt, nachdem er schon vorher böse zugerichtet gewesen war: Seine linke Hand war zur unbrauchbaren Klaue versteift, er hatte nur noch zwei Zähne, und sein eines Auge stach auf erschreckende Weise aus den Blumenkohlrunzeln seines breiten Gesichts heraus. Doch er sah immer noch so aus, als könnte er einem mit der gesunden Hand die Gurgel zerquetschen und einem den Kopf mit den Kauleisten abreißen, wenn man sich zu nahe an ihn heranwagte. Links neben 2 JS saßen zwei Einheimische, ein bäurischer Herr mit einem hohen blauen, zylindrischen Hut, der derzeitige Lastenträger des kleinen Dorfes. Er war ein Rundhäusler – das heißt, er gehörte der Klasse an, die in runden Hütten wohnte und nicht in den eckigen Häusern der Elite –, und er war in dieser Gesellschaft von seiner sozialen Klasse weit entfernt, doch er hielt sich voller Würde. Schakal kannte ihn natürlich, und er bescherte auch mir – ich meine, mir, Jed – den stärksten Nostalgieanfall, seit ich hier war, denn er sah zu achtundneunzig Prozent aus wie Diego Xola, einer der cofradios aus T’ozal, dem Dorf, in dem ich aufgewachsen

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