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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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bin. Es hat sich wirklich nicht viel verändert, dachte ich, oder würde es nicht. Neben ihm kauerte – auf dem Boden, weil er keinen Anspruch auf eine Matte besaß – Schakals biologischer Vater. Er war ein derb aussehender und überraschend junger milpero mit schlechten Zähnen und vom Lastentragen mit Traggestell und Stirnband faltiger Stirn. Sein breiter Strohhut sah nach Strand aus und wirkte fast wie aus den Sechzigerjahren. Er hieß Wak Ch’o, das heißt 6-Ratte, ein typischer bäurischer Rundhäuslername. Irgendwoher wusste ich, dass Schakals Mutter tot war – nicht dass man sie überhaupt hierher gelassen hätte oder dass es auf Schakal viel Eindruck gemacht hätte. Doch er hatte Brüder, und die waren nicht da. Hmm. Jedenfalls sollte man doch meinen, dass das Wiedersehen mit seinem Vater Gefühle wie Liebe, Traurigkeit oder dergleichen in ihm weckte. Aber falls es so war, spürte ich es nicht. Was ich von Schakal im Augenblick spürte, war Scham. Oder vielleicht war seine Empfindung ein bisschen spezifischer, mehr … hmm. Ah, ich weiß. Es war mehr wie Lampenfieber.
    Nur zwei Leute konnte ich darüber hinaus noch sehen. 3-Blaue-Schnecke, der Bucklige mit dem heiseren Tenor, stand weit rechtsfür sich allein. Er trug einen blauen Federumhang und einen kurzen spiraligen Kopfputz, mit dem er aussah, als bestünde er nur aus Kopf und Maul wie diese Tiefseefische mit den elastischen Mägen. Und auf der anderen Seite des Wasserlaufs, ungefähr fünfzig Arme weit weg, stand ein hoch gewachsenes Harpyiengeblüt in einem kleinen Hain stachliger Guavenbäume.
    Dann waren da noch die drei Garderobiers hinter uns, dachte ich – gewohnt, jeden zu zählen –, und dicht bei uns zur Rechten saß jemand, den ich nicht ansehen durfte. Falls Wachen oder Träger anwesend waren, befanden sie sich außerhalb unseres Gesichtsfeldes.
    » Te’ex!«
    3-Blaue-Schnecke schrie mir mit seiner Schnarrstimme ins Ohr: »Du!«
    Schakal nahm augenblicklich Haltung an. Für ihn war das ein Reflex wie bei mir als Fünfzehnjährigem, wenn ein Bulle mich wie aus dem Nichts durchs Megafon anbrüllte: »He, DU ! Pancho! Du mit dem Schwulenhut! Stehen bleiben!«
    » Te’ex m’a’ka’te!!«
    Das ist unübersetzbar. Wörtlich hieß es: »Du Nach-dem-Ende-Scheißhautkind!«
    »Wer waren deine Mütter und wer waren deine Väter?
    Du weißt es nicht? Aasfötus weiß es nicht.«
    2-Juwelenbesetzter-Schädel streckte die Hand zu uns aus, mit offener Handfläche. Es hieß, wenn ich – oder vielmehr Schakal, denn im Augenblick hatte er in unserem gemeinsamen Körper absolut die Oberhand – wenn wir etwas zu sagen hätten, sollten wir es besser jetzt aussprechen.
    Ich schrie:
    »Cal tumen hum pic hun, pic ti ku ti bin oc!«
    Das heißt:
    »Muttervater, heilige mich,
    Gib mir den Tod!«
    Oder vielmehr rief es Schakal. Vielleicht sollte ich lieber sagen, dass er uns zwang, es zu rufen. Er konnte sich natürlich nicht bewegen, nicht weil die Stimme magisch war, sondern weil man als Angehöriger der Harpyien dieser Stimme gehorchte. Gleichzeitig wusste er, was sie vorhatten, und das wollte er nicht. Er wollte, dass sie ihn töteten, oder uns in seinem Körper, seinem alten Körper. Er hatte natürlich nichts dagegen zu sterben, aber er wollte mich und seinen Körper mitnehmen.
    2 JS drehte die Handfläche nach unten. Bitte abgelehnt. 3-Blaue-Schnecke bekam sein Stichwort und fing an, uns mit seiner ausgebildeten Babysingsangstimme zu schmeicheln:
    »Du, 1-Schakal,
    Großer Hüftballschläger, Knochenbrecher,
    Du roter, du starker
    Sieger bei Ix über 22-Haken,
    Über die Ozelots,
    Sieger auf 20-Spielfeld
    Über Herrn 18-Toter-Regen
    Von den Jaguars,
    Warum sitzt du da
    Und trägst diese hässliche Haut?
    Hier ist deine wirkliche.
    All deine Baum-Ichs sind hier,
    Hier ist dein Baum,
    Hier ist deine Haut,
    Hier ist dein Bussard-Uay,
    Alle um dich zu empfangen.
    Sie sind alle hier,
    Deine Väter,
    Deine älteren Brüder,
    Deine jüngeren Brüder,
    Deine Mitkämpfer …«
    Bei dem Wort Baum richtete unser Blick sich über den Wasserlauf hinweg auf den Guavenhain. An jedem Baum hingen ein paar alte Opfergaben, aber einer war reich mit frischen Baumwollwimpeln, Schnüren mit orangefarbenen Spondylus-Muscheln und Bündeln blutbespritzter Opferbriefe geschmückt. Selbst wenn ich nicht über Schakals Erinnerungen verfügt hätte, hätte ich vermutet, dass das sein motz war, seine Wurzel – der Baum, der bei seiner Geburt gepflanzt oder ihm

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