2012 – Das Ende aller Zeiten

Augenfarbe gehabt hätte, mit der ich eindeutig als Schakal zu identifizieren gewesen wäre, hätten sie mir auch die entfernt. Das alles schmerzte. Ich machte einige Veränderungen durch.
    Inzwischen sprach 3 BS zu dem Stellvertreter mit den Stimmen von Schakals Eltern, Großeltern, Urgroßeltern und ersten Vorfahren, die er alle beim Namen nannte und die, wie es schien, alle noch irgendwo in dem Guavenhain oder in den Bergen dahinter lebten. Jede dieser Personen, die er spielte, bat Schakal, zu ihm zu kommen.
    Klingt doch gut, dachte ich an Schakal gerichtet. Wenn ich ich wäre, würde ich sofort aus dem alten Körper raus und in den jungen reingehen. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie die Kostümierer dem Stellvertreter ein Stück Haut von der Brust schnitten, gleich dem, das sie mir aufgenäht hatten. 3 BS reichte ihnen etwas an, ohne seine Tirade zu unterbrechen. Es war der Hieroglyphenstreifen, den sie mir nach der Jagd von der Brust geschält hatten. Er war gegerbt worden, und jetzt war er elastisch und durchscheinend. Das war ein bisschen verwirrend, weil ich gedacht hatte, sie hätten ihn schon bei dem anderen Stellvertreter verwendet, dem auf der Jagd. Vielleicht hatten sie in der Zwischenzeit einen Ersatz gefälscht und mit dem anderen vertauscht. Oder die Haut des Jagd-Stellvertreters hing nichtmehr öffentlich aus. Vielleicht hatten sie sie nach Hause bringen müssen. Wie auch immer. Jedenfalls nähten sie das Hautstück dem Stellvertreter an die Brust, mit einem Darmfaden, der an einen Dorn ohne Nadelöhr geknotet war.
    »K’aanic teech chaban« , sagte 3 BS . Ungefähr: »Das ist deine letzte Chance.« Er stellte eine breite bauchige Schüssel zwischen meine Knie auf die Matte und nahm einen aus Jade geschnitzten Kotzspatel oder Kotzicus, um das wissenschaftliche Wort zu gebrauchen. Großartig, dachte ich. Würde der echte Schakal sich bitte erbrechen? 3 BS zog mir den Unterkiefer herab – eine Sekunde lang hatte ich Angst, er würde ihn ausreißen – und schob mir mit der anderen Hand den Stock in den Rachen.
    Ek …
    Die Nebenhöhle platzte, der Druck verschwand, und ich entlud mich. Drei Wellen saurer gelber Flüssigkeit stürzten durch meinen Schlund und klatschten in die Schüssel. Ich glaubte, ich würde mich umstülpen. Dann brach ich auf der Matte zusammen. Ich bin tot, dachte ich, sie haben mich alle gemacht. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie der Stellvertreter die Schüssel nahm und in einem Zug austrank. Nachdem er das getan hatte, gossen sie einen Becher B’alche’ in die Schüssel, schwenkten sie und gaben ihm das ebenfalls zu trinken. Drüben hinter dem Wasserlauf am Waldrand hob das Geblüt eine große schwarze Specksteinaxt mit langem Stiel und drohte Schakals Geburtsbaum zu fällen.
    »Ich, Schakal, unter dir bin in diesem Gefäß glücklich«, würgte der Junge hervor, sobald er sprechen konnte. Das war natürlich einstudiert, aber man merkte, dass er jedes Wort glaubte. Es war eine große Ehre für ihn. Und das war noch milde ausgedrückt. Es war, als würde er in ein Königshaus einheiraten. Er war eine richtige kleine Diana Spencer. Ja, du bist ein glücklicher Junge, klar …
    Warte.
    Schakal war weg.
    Es stimmte. Ich hatte es gerade erst gemerkt, aber er war weg.
    Das Geblüt stellte die Axt hin.
    Ich fühlte mich leer und dumm, so als hätte ich mit allem anderenauch sieben Meter Darm und zwei Drittel meiner Gehirnzellen ausgekotzt. Aber wenigstens war ich es, der das fühlte. Einer der Kostümierer – ein anderer diesmal, kein Unberührbarer – griff in einen Beutel und streute eine Handvoll weißer Federn, ich glaube, Adlerdaunen, über meinen nassen Körper.
    Jeder der neun Ehrengäste ging zu dem neuen Schakal, grüßte ihn und kehrte an seinen Platz zurück. 2-Juwelenbesetzter-Schädel ging als Letzter. Er streckte den Fuß vor, und der neue Schakal berührte ihn an der Sohle. Das war eine ungewöhnliche Ehre. Als 2 JS wieder auf seiner Matte saß, nahm er ein Meeresschneckengehäuse, in das rote Schnörkelwolken eingeritzt waren, und blies darauf wie Triton. Es hatte einen schwachen, ängstlichen Klang. Wir alle warteten.
    Hinter uns im Nordwesten hörte man die scharrenden Klänge kleiner Tonglocken wie von einer St.-Lazarus-Rassel. Ich drehte mich nicht um, doch kurz darauf schritt der nacom der Harpyien, das heißt, 2 JS Opferer, langsam ins Blickfeld, als habe er alle Zeit der Welt. Seine Haut war mit Kohle geschwärzt, und er trug einen schwarzen