2012 - Die Neue USO
Bootsspitze ins Wasser, und ich trieb langsam zur Schwebetribüne.
Als sich insektengroße Robotreporter näherten, nahm ich den Helm ab und winkte. Stotternd verstummte der Motor, mit einem Ruck prallte das Boot gegen die Plattformpolsterung. Ich kletterte aus dem Cockpit, klemmte den Helm unter den linken Arm und wurde von Johlenden umringt.
Mechaniker und Helfer gratulierten lautstark. Über allem trudelten winzige Sensoren und baten um Interviews. Viele Berichte in den Trividkanälen sind uns demnach sicher, dachte ich. Ein Erfolg, den ich so gar nicht erwartet habe. Hat Vor- und Nachteile ...
Tarnung, Verschwiegenheit und völlige Anpassung an das Leben auf Lepso waren die Garantien fürs Überleben. Die Technik der provozierten Notwehr und das Faustrecht hatten hier höchste Blüten getrieben. Wer sich durchsetzen konnte, hatte hier alle Rechte, aber jeder mußte sich den herrschenden Bräuchen unterwerfen.
Eigentlich retteten nur zwei Strategien vor vorzeitigem Ableben: sich um nichts kümmern und versuchen, niemanden so zu betrügen, daß er es merkte. Und - Gefahren ausweichen, bevor sie akut wurden.
Stephen Gham sprang mir entgegen und verwickelte mich in ein freundschaftliches Scheingefecht, „Fast hätte ich gewonnen!" rief er heiter, lachte laut und wehrte meine Fäuste ab.
Ich antwortete mit einem uralten Spruch: „Knapp vorbei ist auch daneben!"
Wir wurden nach vorne geschoben, ringsum historisch Interessierte, die fasziniert allem nachstöberten, was unbekannte Ahnen vor den Dunklen Jahrhunderten geschaffen hatten. Nicht zu vergessen die Wettbegeisterten, die auf den schnellen Galax hoffen - und mitunter recht grantig reagierten, sollten sich ihre Wünsche und Vorstellungen nicht erfüllen.
Ich sprang auf das Podest, Steph schüttelte schon eine überdimensionierte Flasche. Im nächsten Moment flog der Korken knallend davon, so daß mich die schäumende Fontäne voll traf. Unter lautem Beifall der Zuschauer nahm ich Steph die Flasche ab und bespritzte ihn mit dem restlichen Inhalt. Im Hintergrund schüttelten einige Leute verwirrt den Kopf angesichts dieser barbarischen Riten, die wir einem aus jedem Zusammenhang gerissenen Datenbruchstück abgesehen hatten.
Auch rund 150 Jahre nach Monos war und blieb die Galaxis gespalten: Mochten Arkon, Terra, Akon, Gatas und etliche andere die Dunklen Jahrhunderte besser verkraftet haben - den meisten Welten war es bis heute nicht gelungen, an die Zeit vor Monos anzuschließen. Früheres Wissen kultureller wie technischer Art war ebenso begehrt wie Hinterlassenschaften der Cantaro.
Steph kicherte und wischte eine nasse Haarsträhne aus der Stirn. „Verrücktes Brauchtum! Was bedeutete es eigentlich?"
„Vielleicht wollten sie ihre Götter ehren oder besänftigen", antwortete ich und hob die Schultern. „Die Frühterraner beteten nämlich Geschöpfe an, die General Motors, Porsche und Marlboro hießen."
„Bist du sicher?"
„Sicher? Du kennst selbst die wenigen Quellen. Welcher Lepsoter hat schon Zugang zu den Syntron-Archiven NATHANS?"
Er winkte ab, seine Miene stand für Unsicherheit und Verwirrung. „Wir wissen wirklich nicht viel und sind auf Vermutungen und Spekulationen angewiesen. Verfluchter Monos!"
Ich stellte die leere Flasche ab und musterte die Rennteilnehmer. Wasserdicht und silbrig waren die möglichst originalgetreu nachgebildeten Overalls. Im Gegensatz dazu folgten die Zuschauer gängiger Mode. Farbige Stoffstreifen, in die Haut geprägte Körperbemalungen, hauchdünne Umhüllungen - als Paste aufgetragen - und natürlich diejenigen, die ihren Körper selbst mit Ära-Kenntnissen entsprechend „modifiziert" hatten: Schuppige Hautveränderungen, Hom- und Chitinschichten oder dichte Befiederung wurden phantasievoll miteinander kombiniert. Zwei oder drei „Extras" fielen auf - sie besaßen die Körper exotischer Riesenorchideen.
Die meisten Zuschauer waren allerdings Hominide, Abkömmlinge von Terranern, Arkoniden oder Akonen. Ich sah Naats, Manoler, Ekhoniden, Zaliter, Cheborparner, Orbeki, Gataser, Tentra, Gurrads, Rusufer, eine Gruppe Ertruser, Überschwere, Springer, einen spitzschädeligen Ära und und und ...
Im Hintergrund bemerkte ich einige Mitglieder des „Staatlichen Wohlfahrtsdienstes" in dunkelroten Uniformen; sie bewegten sich offen durch die Menge, aber ich wußte, daß auf jeden Rotgekleideten mindestens vier oder fünf Wohlfahrtsdienstler kamen, die verdeckt für die Effizienz dieser Organisation sorgen. Der
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