2012 - Die Prophezeiung - Alten, S: 2012 - Die Prophezeiung - Phobos
gelenkt. Nach jedem Durchgang schwebte es über dem Planeten, seine wachsende Struktur festigte sich und kühlte ab, wobei jedes dieser dicht gepackten Atome eine extreme Schwerkraft erzeugte und eine eigene Mikro-Singularität darstellte. Das Monster, einem Schwarm von Fischen gleich, bei dem die Bewegung jedes einzelnen Mitglieds genau auf die Bewegungen aller anderen abgestimmt ist, formte sich immer wieder zu einem beschleunigten Partikelstrom um, der durch die Erde drang und dessen Strudel ein Wurmloch entstehen ließ.
Genau wie die aus vielen einzelnen Teilchen zusammengesetzte Singularität war auch das Wurmloch weder durch die Grenzen der Dimensionen noch durch die Raumzeit eingeschränkt; es war nur mit einer Art Nabelschnur an seine Mutter gebunden, von der es genährt
wurde. In immer längeren Nährzeiten wuchs das Monster immer weiter; dabei stabilisierte sich das Wurmloch, dessen Maul und dessen Schwanz über die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Membranen des physischen Universums wirbelten.
Wie eine befruchtete Eizelle alle Eindringlinge in den Mutterleib abwehrt, sorgte die Existenz der wachsenden Singularität dafür, dass sich aus den unablässig ausgestoßenen Strangelets des Hadron Collider keine weitere Singularität entwickeln konnte; und genau wie ein ungeborenes Kind trat die immer größer werdende Bestie manchmal um sich, während sie neue Nahrung aufnahm. Bei jeder dieser beschleunigten Wachstumsphasen stieß der Erdmantel Magma aus.
Der Erdmantel ist eine etwa 2900 Kilometer dicke Schicht, die den geschmolzenen äußeren Kern umgibt; sie beginnt etwa zehn Kilometer unter der ozeanischen und etwa dreißig Kilometer unter der kontinentalen Erdkruste. Die Erdkruste besteht aus tektonischen Platten, die langsam auf dem Mantel dahintreiben.
Während die Masse der Singularität weiterwuchs, übte sie mit jedem Durchgang durch den Erdkern größere Gravitationskräfte aus, wobei eine Druckblase entstand, die sich durch den Mantel bewegte wie eine Metallkugel, die um einen Roulettekessel wirbelt. Wenn diese Energiewoge an der Grenze zweier tektonischer Platten auf dem Meeresgrund ins Freie drang, kam es zu Seebeben und manchmal zu Tsunamis; geschah dasselbe auf dem Festland, waren Erdbeben die Folge. Wenn die Druckblase eine Magmakammer unter einem aktiven Vulkan durchquerte, kam es zu einer Eruption.
In den vergangenen sechs Monaten war die Singularität für sieben Tsunamis, elf Vulkanausbrüche und mehr als fünfzig Erdbeben auf der ganzen Welt verantwortlich. Das Aufsteigen über den Polen hat die immer größer werdende Masse mit dem bunten Schleier der geladenen Teilchen beider Auroras umgeben. Jetzt, da sich das Monster dem Augenblick seiner Geburt im physischen Universum nähert, macht es eine letzte Reise durch den Mittelpunkt der Erde und gibt den zum Untergang verdammten Menschen einen Vorgeschmack auf die Dinge, die noch kommen sollen.
La Palma, Kanarische Inseln
15:47 Uhr Ortszeit
Knapp einhundertzwanzig Kilometer westlich von Afrika liegt die Inselgruppe der Kanaren im Atlantik. Sie besteht aus sieben Hauptinseln und sechs kleineren Inselchen, die sich über gut vierhundertfünfzig Kilometer hinweg von Osten nach Westen erstrecken. Der Archipel entstand vor drei Millionen Jahren durch unterseeischen Vulkanismus.
La Palma ist die nordwestlichste Insel. Ihr Sockel liegt fast vier Kilometer unter der Meeresoberfläche; ihr höchster Berg, der Roque de los Muchachos, ragt 2426 Meter aus dem Ozean. Die Insel besitzt zwei Vulkangipfel sowie die Caldera de Taburiente, eine zehn Kilometer breite Caldera, die von einer ringförmigen Bergkette umgeben ist, welche die Landschaft im Norden beherrscht. Ein von Norden nach Süden verlaufender Bergrücken zieht sich durch die Mitte der Insel. Der
Vulkan Cumbre Nueva liegt im Norden, der größere Cumbre Vieja im Süden.
Am 24. Juni 1949 brach der Cumbre Vieja zum ersten Mal seit dem Jahr 1712 wieder aus; die Eruptionen hielten siebenunddreißig Tage lang an. Lava wurde aus den drei Kratern des Stratovulkans geschleudert, und gleichzeitig kam es zu zwei Erdbeben. Die Eruptionen verursachten einen gewaltigen, über zweieinhalb Kilometer langen Riss im Westhang des Vulkans. Geologen, die ihn untersuchten, mussten zu ihrem Entsetzen feststellen, dass sich ein großer Felsblock von mehr als fünfzig Kubikkilometern Größe und einem geschätzten Gewicht von über 100 Milliarden Tonnen vom Cumbre Vieja gelöst hatte. Wie
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