2012 - Die Prophezeiung - Alten, S: 2012 - Die Prophezeiung - Phobos
Ostküste von Nord – und Südamerika zu.
Yellowstone Park, Wyoming
9:47 Uhr Ortszeit
Das Monster hatte geschlafen. Sechshundertzweiundvierzigtausend Jahre lang. Sein Herz war das Innere der Erde und sein Blut das Magma, das seinen leeren Bauch wärmte. In seinem ruhelosen Schlaf hatte es gezuckt und sich geschüttelt und den See über seinen Därmen nach oben gewölbt, als es sich streckte. Es zischte und stieß Dampf aus, und manchmal blutete es sogar, und obwohl erbarmungslos an ihm herumgestochert wurde, erwachte es nicht, denn es war alt – so alt wie die Erde.
Doch jetzt lockte die Erde wieder, wenn auch auf eine Art, die die Bestie verwirrte. Die Erschütterungen, die in seinen Därmen grummelten, waren tiefer und heftiger geworden und hatten das Magma, das in seinem Bauch so lange kristallisiert gewesen war, wieder verflüssigt. Sein Leib füllte sich mit frischer Lava, und sein Blutdruck stieg unaufhaltsam, bis eine uralte Schwelle überschritten war.
Wütend erwachte das Monster.
Zum letzten Mal.
Gleich würde es zu einer Explosion kommen. Es konnte sich nur noch um wenige Minuten handeln.
Jon Bogner würgte die Magnesiummilch hinunter und betete, dass sie das brennende Gefühl in seinem Bauch lindern würde. Seine Frau Angie hatte ihn ermahnt, mehr auf seine Ernährung zu achten und seine Dickdarmentzündung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Doch er musste etwas im Magen haben, bevor
er seine Antibiotika einnehmen konnte, und die langen Stunden im Büro des amerikanischen Erdbebenüberwachungsdienstes, des United States Geological Survey, kurz USGS, schränkten seine Möglichkeiten, sich im Park teure Snacks oder Fast Food zu besorgen, deutlich ein.
Zugegeben, der Burrito zum Frühstück war ein Fehler gewesen.
Nach dem kalkigen Mittel, das seine Magensäure neutralisieren sollte, nahm der Geophysiker einen Schluck aus seiner Mineralwasserflasche und setzte sich wieder an seinen Computer. Es gab einundvierzig permanente Seismographen, die über das ganze Gebiet des Yellowstone-Parks verteilt waren. Ein Dutzend davon war erst in den letzten sechsundzwanzig Monaten platziert worden, als die Caldera ungewöhnliche Anzeichen eines baldigen Ausbruchs erkennen ließ. Jon und sein Seismologenteam waren zwar der Ansicht, dass die bisherigen Erdbeben tektonischer und nicht vulkanischer Natur waren, doch die Zeichen waren trotzdem beunruhigend. Wie das Sodbrennen, das aus seinem Magen aufstieg, wölbte sich die Caldera etwa elf Kilometer unter der Erdoberfläche nach oben und hob das Felsbett des Yellowstone Lake in einem Radius von etwa einem Kilometer mehr als sechzig Meter hoch. Eine weitere Wölbung südlich des Beckens des Norris-Geysirs hatte sich im letzten Kalenderjahr um sechsundneunzig Zentimeter angehoben und erstreckte sich inzwischen über fünfundvierzig Kilometer.
Woche für Woche traten neue heiße Schlammlöcher auf. Die Bodentemperatur auf den Waldwegen betrug
inzwischen fast 112 Grad Celsius. Es wurde über Möglichkeiten diskutiert, wie man der Gefahr begegnen sollte, die von der Caldera ausging. Ein System aus Ventilen und Kanälen, die mit dem Yellowstone Lake verbunden wären, könnte das Monster vielleicht zähmen, aber der Kongress hatte entschieden, dass die Kosten von 25 Milliarden Dollar »viel zu hoch für eine Touristenattraktion« waren; den Abgeordneten hatte die »Panikmache« des USGS überhaupt nicht gefallen.
Panikmache? Eine ungebremste Eruption des Supervulkans hätte dieselben katastrophalen Folgen wie der Einschlag eines größeren Asteroiden. Dabei konnte man die Lava, die sich über Hunderte von Quadratkilometern ausbreiten würde, und die Explosion, bei der Hunderte, wenn nicht Tausende Menschen zu Tode kämen, sogar vernachlässigen; das größte Problem war die Aschewolke voller Schwefeldioxid. Sie wäre so groß wie die Wolke, die beim Ausbruch von zehntausend Mount-St.-Helens-Vulkanen entstehen würde. Sie würde sich über die gesamte obere Atmosphäre ausbreiten und die lebenspendenden Sonnenstrahlen zurück ins All reflektieren. Auf der ganzen Welt würde die Temperatur sinken, zuerst würden die Pflanzen, dann die Tiere und dann die Menschen sterben. Über viele Jahre hinweg würde der nukleare Winter die Erde im Griff halten.
Aber es gäbe auch gute Nachrichten: Wenigstens würden die Öl-Kriege in Venezuela und Nigeria enden, so dass die überlebenden amerikanischen Steuerzahler eine Billion Dollar pro Jahr einsparen
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