2012 - Die Prophezeiung - Alten, S: 2012 - Die Prophezeiung - Phobos
offener Raum, der eher einer Bibliothek als einem privaten Zuhause ähnelt. Alle Wände sind mit Landkarten bedeckt, weshalb die Bücher einfach auf dem Boden gestapelt wurden. Es gibt nur wenige Möbel: einen La-Z-Boy-Sessel, mehrere Öllampen und einen Picknicktisch, der als Schreibtisch dient. Die Küche besteht aus einem Gasherd und einem Kühlschrank, einem frei stehenden Spülbecken und einer verwitterten Resopalablage. Darauf stehen mehrere Dosen mit spanischen Etiketten. Ein kleiner Kartentisch steht an einer gelb verputzten Wand; um ihn herum stehen drei Klappstühle. Eine bunte Wolldecke dient als Trennwand, hinter der sich das Schlafzimmer befindet. Eine Holztreppe, die in die gegenüberliegende Wand integriert ist, führt aufs Dach.
Laura schüttelt den Kopf. »Was ist das denn? Ein Zuhause für unberechenbare Archäologen?«
»Es ist, was es ist.«
»Dagegen lässt sich nichts sagen. Wo ist das Örtchen?«
»Wenn du die Toilette meinst – die ist draußen.«
»Ein richtiges Toilettenhäuschen oder einfach nur ein Busch, an dem eine Rolle Klopapier hängt?« Sie sieht sich um. »Verdammt, wo ist denn die Hintertür?«
»Ich habe das Ding nicht entworfen. Ich wohne hier nur.«
»Na, wunderbar.« Laura lässt ihre Wanderstiefel und ihren Seesack zu Boden fallen, geht nach draußen und marschiert zur Rückseite des Gebäudes. Ihre nackten
Füße brennen auf der heißen gelben Erde. Fluchend eilt sie in den Schatten eines Huarango-Baums und wünscht sich, sie hätte Spanien nie verlassen.
Ein schlaffer Heißluftballon nimmt fast den gesamten Hinterhof ein; der orange und blau gefärbte Stoff liegt neben dem knapp zwei mal zwei Meter großen geflochtenen Passagierkorb.
Und dann sieht sie den Fremden.
Ohne Hemd steht er hinter dem hölzernen Toilettenhäuschen am Rand eines unbebauten Grundstücks. Seine Muskeln treten unter der bronzefarbenen Haut deutlich hervor, und der Schweiß wirkt wie Öl auf seiner Haut. Er wendet ihr seinen V-förmigen Rücken zu, während er ihrem Neffen, der ebenfalls kein Hemd trägt, einen Football zuwirft. Ihr Neffe sprintet einen gut fünfzig Meter weiten Bogen entlang.
Mick fängt den Ball in vollem Lauf. Eine perfekte Spirale.
Ohne darüber nachzudenken, klatscht Laura in die Hände – und verrät so ihre Anwesenheit.
Der Fremde dreht sich abrupt um.
Oh mein Gott, er ist wirklich ein Samson.
Er wendet den Blick nicht von ihr.
»Hey!« Mick trabt auf sie zu, sein Körper ist schweißüberströmt. Als er an Sam vorbeikommt, versetzt er ihm einen leichten Schlag gegen die Schulter und duckt sich lachend weg, als der große Mann seinerseits zu einem spielerischen Schlag ansetzt. Die freundliche Kabbelei bricht den Bann.
Die beiden Sportler kommen auf sie zu.
Jetzt ist es Laura, die ihren Blick nicht abwenden kann. Ihre Kopfhaut kribbelt. Obwohl zwanzig Jahre zwischen
dem Fremden und ihrem Neffen liegen, könnten die beiden Vater und Sohn sein. Ihr Körperbau und ihre Gesichtszüge sind sich auf unheimliche Weise ähnlich.
Mick beugt sich zu ihr und küsst sie auf die Wange. »Ich kann kaum glauben, dass du tatsächlich hierhergekommen bist. Du siehst großartig aus. Anscheinend bekommt es dir, wieder Single zu sein.«
»Ja. Äh … was hast du gesagt?«
»Deine Scheidung.«
Sie bricht den Blickkontakt mit dem Fremden ab. »Meine Scheidung, genau. Ja, eine echte Erleichterung. Zwei höllische Jahre, und jetzt bin ich Single … kein Ring, keine Bindungen. Oh Gott, ich komme schon ins Faseln.« Sie reicht ihm ihre Hand. »Ich bin Laura, Micks Tante. Du musst Sam sein.«
»Lauren?« Tränen steigen in seine Augen. »Lauren, mein Gott. Ich bin’s, Sam!«
»Aber Kumpel, das weiß sie doch.«
»Nein, Mick. Ich glaube, dein Freund erinnert sich an etwas, das mit seiner Identität zu tun hat. Erinnere ich dich an jemanden, Sam? Ich bin Laura Salesa. Wer ist Lauren?«
Er schweigt. Er fixiert ihr Gesicht mit festem Blick, und sein Kiefer sackt herab, während er versucht, eine Erinnerung zu erhaschen.
»Okay. Das Ganze ist ein wenig peinlich. Ich sag dir was. Während du versuchst, deine Gedanken zu ordnen, stürme ich schnell rüber zu diesem Toilettenhäuschen. Du rührst dich inzwischen nicht von der Stelle.«
Auf Zehenspitzen huscht sie über den heißen Boden, zieht die knarrende Holztür auf und geht geduckt nach innen. Der Gestank lässt sie würgen. Sie schiebt den
Riegel zu, zerrt ihre Shorts herunter, setzt sich auf die Porzellanschüssel und
Weitere Kostenlose Bücher