2012 - Folge 1 - Botschaft aus Stein
mehr erreichen. Aber genau das hatte er schon geargwöhnt und deshalb während der Wartezeit in Panama eine kleine Cessna geordert. Das machte ihn unabhängiger, nachdem er ohnehin schon eine Odyssee mit mehreren Zwischenlandungen hinter sich hatte. Den Dienstagvormittag hatte er darauf verwandt, sich noch einmal die Stele vorzunehmen, war in seiner Analyse aber nicht einen Schritt weitergekommen. Mit dem Ehrgeiz des Entdeckers hatte er die Steinsäule schließlich mit Gras und Ästen abgedeckt und seinen Fußmarsch nach Osten fortgesetzt. Nur um im Atuona Airport feststellen zu müssen, dass es mit einem Abflugtermin schlecht aussah. Immerhin hatte er wenigstens ein Taxi aufgetrieben, das ihn zur Pension brachte.
Bis in die Nacht hinein hatten dann seine Bemühungen gedauert, irgendwie nach Yucatän zu gelangen. Manchmal argwöhnte er, dass Thor Heyerdahl mit seiner Kon Tiki auch nicht mehr Zeit aufgewendet hatte als ein Vielflieger in der heutigen Zeit. So gesehen war alles relativ.
Tom war sich darüber im Klaren, dass er den Gauguin-Auftrag vernachlässigte. Halb so schlimm, sagte er sich. Für die Recherchen gab es kein zeitliches Limit. Wenn die Louvre-Direktion Ärger machte, würde Pierre ihm den Rücken decken.
Als Tom wieder nach draußen sah, war auf seiner Seite nur mehr offenes Meer; die Warteschleifen wurden größer.
»Das ist nicht normal«, schnaubte der Mann neben ihm. »Die machen mit uns, was sie wollen. Dagegen muss etwas unternommen werden!«
Ein ungewolltes Lächeln kerbte sich in Toms Mundwinkel, als er in beruhigendem Tonfall antwortete: »Wir bleiben nicht ewig hier oben, das kann ich guten Gewissens versprechen.«
Mit neunzig Minuten Verspätung war der Flug aus Panama-City gelandet. Im Bereich der Gepäckausgabe herrschte hektisches, lärmendes Gedränge.
Der Rothaarige stand nur wenige Meter von Ericson entfernt und starrte geradezu verbissen auf das Laufband. Wie ein Fels in der Brandung stand der Dicke da und schien nicht einmal wahrzunehmen, dass die Menschen, die ihm ausweichen mussten, ziemlich erzürnt reagierten.
Ein Indio glitt geschmeidig hinter dem Mann vorbei. Seine Bewegungen hatten etwas von der lauernden Geschmeidigkeit eines Jaguars. Im nächsten Moment war er in der Menge verschwunden. Das Gedränge rings um das Gepäckband wurde nur allmählich lichter. Endlich sah Ericson eine seiner beiden Reisetaschen. Zehn Minuten später hatte er auch die zweite und eilte dem Ausgang zu.
Dann stand er in dem speziellen Wartebereich für gecharterte Kleinflugzeuge. Der Pilot schien nicht da zu sein, obwohl sie sich unmissverständlich hier verabredet hatten. Mehrere Bildschirme zeigten Nachrichtensendungen.
Irgendein Wirtschaftsreporter redete über die Entwicklung des Euro. In Japan waren rege Diskussionen über die stetig ansteigenden Bequerelwerte erlegter Wale im Gange. Auf einem anderen Display wurde eine Grafik der Umlaufbahnen der inneren Planeten eingeblendet. Es ging um den Kometen, den Hobbyastro-nomen Ende August aufgespürt hatten; Tom erinnerte sich daran. Es hatte ein paar Tage Aufregung gegeben, bis die Entwarnung kam, das kosmische Ge-schoss würde weit an der Erde vorbeiziehen. Er wunderte sich, dass das Thema immer noch aktuell zu sein schien. »Senor Ericson ...?«
Tom sah eine kleine drahtige Gestalt zwischen den anderen Wartenden hindurcheilen, dem Aussehen nach ein Mestize. Seine spanischen Vorfahren konnte der Mann ganz sicher nicht verleugnen.
»Aqui!« Tom hob eine Hand und der Pilot wurde sofort aufmerksam. Er lachte, fuhr sich mit einer Hand durch das schüttere Haar. »Hola! Que tal?«
Tom hob in einer lässigen Geste beide Hände. »Wie soll es schon jemandem gehen, dessen Tag aus Wartezeiten und Verspätungen besteht«, antwortete er auf die Frage.
»Comprende, Senor Ericson. In fünfzehn Minuten sind oben. Versprochen.«
Die Cessna hatte ihre beste Zeit längst hinter sich, lag aber dennoch ruhig in der Luft. Vor allem reagierte sie trotz der dilettantisch ausgeführten Reparaturen, die Tom in dem engen Cockpit bemerkte, willig auf jede Steuerbewegung.
Der Pilot war nach dem Start auf Südkurs gegangen und in Sichtweite der Küste geblieben. Den Funkverkehr mit dem Tower hatte Ericson geradezu als Offenbarung empfunden. Eine Hand wäscht die andere - so und nicht anders funktionierte die Kursabsprache. Der Archäologe hatte dazu geschwiegen.
Immer öfter musterte ihn der Pilot aus dem Augenwinkel. »Meine Quetzal ist ein gutes Flugzeug,
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