2012 - Folge 1 - Botschaft aus Stein
Senor Ericson.
Ich möchte kein anderes fliegen.« »Das sehe ich.«
Der Mestize schaute ihn nachdenklich an. »Sie verstehen etwas von Flugzeugen und kennen ihre Seele?« »Ich habe selbst den Flugschein für Sportmaschinen«, sagte Tom. »Ich kann durchaus erkennen, wenn ihre Seele mit Billigteilen und einem Lötkolben geflickt wird.«
»Me gusta.« Der Pilot seufzte ergeben. »Wir überfliegen Playa del Carmen und gleich darauf Xcaret.« Auch das hatte Ericson schon erkannt. Die Bettenburgen für Urlauber säumten den Strand. Linker Hand war Cozumel am Horizont aufgetaucht.
Die Cessna drehte nach rechts ab in Richtung Cobä. Bald darauf bestimmte dichter Dschungel das Bild, in dem die Straßen wie bleiche Narben wirkten.
»Wir folgen dem Verlauf der Nationalstraße 180 bis Merida ...« »Um ausreichend Platz für eine Notladung zu haben?«
Der Mestize grinste ihn herausfordernd an. Sein Schweigen war Antwort genug.
»Wir nähern uns Chichen Itza«, sagte der Pilot nach einiger Zeit. »Das ist die größte und zugleich am besten erhaltene Ruinenanlage in Yucatan. Sie wurde um das Jahr 400 von Maya-Stämmen aus Guatemala gegründet.«
Bevor der Pilot sein Talent als Reiseführer ausleben konnte, konterte Ton: »Die Siedlung hieß aber nicht immer so.
Erst als die Tolteken nach Yucatan kamen und die Maya verdrängten, nannten sie die Ansiedlung Chichen Itzä: die Stadt der Itzä am Rande des Brunnens.«
Der Pilot taxierte ihn aus halb zusammengekniffenen Augen. »Sie sind gut informiert, Senor.«
»Ich bin Archäologe.«
»Sie wollen in Merida arbeiten?«
»Ich werde von einem Kollegen abgeholt. Er leitet Ausgrabungen in der Nähe von Uxmal.« »Senor Branson?« Der Pilot lachte verhalten. »Sie kennen Professor Branson?«
»Die Welt ist klein, so sagt ihr Gringos doch, oder? Ich durfte Senor Branson zweimal fliegen. Ein seriöser Mann, der gute Arbeit für unser Land macht, das sagen viele.«
Von Chichen Itzä nach Merida waren es nur noch hundertzwanzig Kilometer. Es war später Vormittag, als die Cessna landete.
»Wir treffen uns also nicht in Merida? Das hätte ich vorher wissen sollen ...« Tom Ericson war einigermaßen überrascht über den Sinneswandel des Professors am Telefon. Sie hatten vereinbart, dass Tom sich aus der Hauptstadt wieder melden würde, und genau das hatte er soeben getan.
»Das hat schon seine Ordnung«, beharrte Branson. Es klang ein wenig bedrückt - und zugleich wie einstudiert. »Ich bin momentan hier unabkömmlich. Außerdem habe ich keine Möglichkeit, einen Wagen zu schicken.«
»Ich sehe es nicht als Problem, mir ein passendes Hotelzimmer im Zentrum zu suchen. Treffen wir uns morgen hier und ...«
»Nicht in Merida!«, fiel Branson ihm ins Wort. »Haben Sie viel Gepäck?« »Es hält sich in Grenzen.«
»Gut«, erwiderte Branson. »Nehmen Sie einfach den nächsten Bus bis Muna; die Busse fahren regelmäßig.
Moment, Tom - Sie sind noch am Flughafen?« »So ist es.«
»Dann schlage ich vor, dass Sie sich ein Taxi organisieren. Bis Muna, auf der MEX 261, sind es höchstens sechzig Kilometer. Das kostet nicht mehr als siebenhundert Pesos. Lassen Sie sich bis zur Piazza fahren und warten Sie dort am Pavillon. Ich hole Sie ab.«
Branson beendete das Gespräch, bevor Ericson nachfragen konnte. Einen Moment lang hielt Tom das Telefon unschlüssig in der Hand, dann steckte er es ein.
Zwanzig Minuten später waren seine Taschen im Kofferraum eines Taxis verstaut und Tom nahm neben dem Fahrer Platz. Der Mann lächelte, seit er wusste, wie weit die Fahrt gehen sollte.
»Rauchen Sie?« Der Mexikaner hielt Ericson eine dicke Zigarre hin. Als Tom dankend ablehnte, steckte er sich das Monstrum selbst an. Er lenkte mit einer Hand, mit der anderen gestikulierte er heftig, während er redete. Immerhin herrschte auf der 261 nicht sonderlich viel Verkehr.
Knapp eine Stunde dauerte die Fahrt. Tom hatte danach den Eindruck, dass er die Familie des Fahrers schon seit einer kleinen Ewigkeit kannte.
Dann stand er auf der Piazza. Branson war noch nicht da, obwohl die archäologische Zone von Uxmal höchstens zwanzig Kilometer entfernt lag.
Muna war eine saubere, ansprechende Kleinstadt. Obwohl, wenn Tom in die weniger frequentierten Seitenstraßen schaute, sah er die Stromleitungen schon wieder in dicken Bündeln hängen, kreuz und quer zwischen den Häusern gespannt und mit teils blanken Kontakten, deren Anblick manchem Europäer den Schweiß auf die Stirn trieb. An einem
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