2012 - Schatten der Verdammnis
eine gewalttätige, immer wiederkehrende Vision, die sich in sein Unterbewusstsein einschleicht, ein Flüstern in seinem Hirn, das ihn an einen entscheidenden Augenblick in seiner Vergangenheit zurückbringt.
Er ist wieder in Peru, nicht ganz zwölf Jahre alt. Während er aus dem Fenster seines Zimmers in dem verschlafenen Dorf Ingenio schaut, lauscht er der gedämpften Unterhaltung im Nebenzimmer. Er hört, wie sein Vater auf Spanisch mit dem Arzt spricht; er hört seinen Vater schluchzen.
Die Tür geht auf. »Michael, komm mal rein, bitte.«
Mick kann die Krankheit riechen. Es ist ein ranziger Geruch, ein Geruch nach verschwitzten Laken und Infusionsbeuteln, nach Erbrochenem und Schmerzen und Qual.
Seine Mutter liegt im Bett. Ihr Gesicht ist von der Gelbsucht gezeichnet. Sie sieht ihn mit ihren eingefallenen Augen an und drückt schwach seine Hand.
»Michael, der Arzt wird dir jetzt erklären, wie du deiner
Mutter ihre Medikamente verabreichen sollst. Es ist sehr wichtig, dass du genau aufpasst und es richtig machst. «
Der weißhaarige Arzt mustert ihn. »Er ist noch recht jung, Señor...«
»Zeigen Sie’s ihm«, sagt sein Vater
Der Arzt zieht das Bettlaken zurück. In der bandagierten Schulter seiner Mutter sieht Mick einen Infusionsschlauch stecken.
Beim Anblick des Schlauchs bekommt Mick Angst. »Dad, bitte, kann das nicht die Pflegerin...«
»Wir können uns die Pflegerin nicht mehr leisten und ich muss meine Arbeit in Nazca zu Ende bringen. Wir haben doch schon darüber gesprochen, Mick. Du schaffst es. Ich komme jeden Abend nach Hause. Und jetzt konzentrier dich und schau genau hin, was der Doktor dir zeigt.«
Mick steht am Bett und beobachtet, wie der Arzt die Spritze mit Morphin füllt. Er prägt sich die Dosis ein, dann spürt er, wie sich ihm der Magen umdreht, als die Nadel in den Schlauch injiziert wird und die Augen seiner Mutter nach oben rollen...
»Nein ! Nein! Nein!«
Michael Gabriels Schreie wecken alle Insassen der Station.
Im Weltraum
Der leichte Satellit, dem die NASA den Namen Pluto-Kuiper Express gegeben hat, rast durchs All. Seit seinem Start sind acht Jahre, zehn Monate und dreizehn Tage vergangen und es fehlen nur noch achtundfünfzig Tage und elf Stunden bis zum Ziel, dem Planeten Pluto und seinem Mond Charon. Das Forschungsfahrzeug, das einer komplexen Satellitenschüssel ähnelt, übermittelt seine Informationen mithilfe einer eineinhalb Meter langen High-Gain-Antenne unkodiert zur Erde.
Unvermittelt schießt eine gewaltige Welle aus Funkenergie mit Lichtgeschwindigkeit durchs All. Der Hyperwave-Impuls
überschwemmt den Satelliten mit der hohen Frequenz seiner Übertragung. Innerhalb einer Nanosekunde verschmoren das Telekommunikationssystem und die Mikrowellen-Kreise der Sonde vollständig.
Raumüberwachungszentrum der NASA
14.06 Uhr Jonathan Lunine, Chef des wissenschaftlichen Teams der Pluto-Mission, lehnt an einer Reihe von Schaltpulten und hört mit halben Ohr zu, wie Dr. Jeremy Armentrout, der leitende Ingenieur des Teams, neue Mitarbeiter einweist.
»Die High-Gain-Antenne des PKE überträgt ständig einen von drei Tönen. Einfach ausgedrückt, bedeuten diese Folgendes: Alles in Ordnung, bereit zur Datenübertragung oder: es gibt ein ernstes Problem, um das wir uns sofort kümmern müssen. In den vergangenen acht Jahren lag die Überwachung dieser Signale in den Händen von...«
Lunine, unterdrückt ein Gähnen. Die letzten drei Tage, in denen er jeweils achtzehn Stunden im Zentrum verbracht hat, haben ihre Spuren hinterlassen, und er freut sich aufs Wochenende. Noch eine Stunde im Konferenz raum, dann kann ich mich zu Hause ein wenig aufs Ohr legen. Morgen treten die Redskins gegen die Eagles an, wird bestimmt ein gutes Spiel...
»Jon, kommen Sie mal her, bitte!« Ein vor seinem Schaltpult stehender Techniker winkt ihm hektisch zu. Lunine sieht Schweißtropfen auf seiner Stirn. Seine Kollegen links und rechts sind fieberhaft an der Arbeit.
»Was ist passiert?«
»Wir haben den Kontakt mit dem PKE verloren.«
»Sonnenwind?«
»Diesmal nicht. Meine Anzeigen weisen darauf hin, dass eine extreme Überlastung das gesamte Kommunikationssystem
und beide Flugcomputer in Mitleidenschaft gezogen hat. Die Sensoren, die gesamte Elektronik, die Effektoren - alles ist außer Funktion. Ich lasse gerade eine vollständige Systemanalyse durchführen, aber momentan ist völlig unklar, wie sich der Vorgang auf die Flugbahn der Sonde auswirken wird.«
Lunine winkt Dr.
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