204 - An Afras Ufern
Wanja!
Er drehte sich um, aber auch hinter ihm waren nur Steine, Sand und Kasanjas. Matt wandte sich dem Narbengesicht zu.
»Wo ist Wanja?«
»Der dürfte zuhause sitzen und die Geldstücke zählen, die er für euch erhalten hat«, antwortete der Mann trocken. Er reichte das Brandeisen einem blauhaarigen Kerl neben sich.
Matthew konnte es nicht fassen. Wanja hatte sie tatsächlich verkauft!
»Lasst ihn los!«, befahl das Narbengesicht den Männern, die Rulfan am Boden hielten. Wutschnaubend richtete sich der Albino auf.
Narbengesicht ging vor ihm in die Hocke. »Ich bin Badaar! Und was auch immer ich sage, die nächsten zweiundvierzig Tage hört ihr besser darauf! Denn solange habe ich für euch bezahlt. Ihr werdet unten in der Grube arbeiten. Schlafen könnt ihr ab heute Abend in den Unterkünften.« Er deutete auf hellblaue Container, die neben dem Fabrikgebäude standen.
»Mahlzeiten gibt es zu festen Zeiten. Haltet euch einfach an die anderen. Das Frühstück allerdings habt ihr bereits verpasst.« Er lachte schallend und stand auf. »Aber ich kann euch eine kleine Erfrischung anbieten.«
Seine Finger schnippten nach hinten. Zwei Kasanjas mit nacktem Oberkörper eilten mit Eimern herbei. Sie grölten, während sie das kalte Nass über Rulfan und Matthew ausschütteten.
Das war zu viel! Fast gleichzeitig warfen sich Matt und Rulfan gegen die Beine der Eimerträger und rissen sie zu Boden. Während der Mann aus der Vergangenheit seinem Gegner einen gezielten Kinnhaken verpasste, schlug der Albino dem überrumpelten Mann unter sich den Eimer um die Ohren.
Die Umstehenden grölten und lachten, bis ihr Anführer dem Ganzen ein Ende machte. »Schluss jetzt! Schafft sie in die Grube!«, befahl er. »Und wenn sie nicht spuren, lasst sie bis morgen früh in dem Loch!«
Matthew wurde an den Schultern nach oben gezerrt. Drei Kasanjas stießen ihn vor sich her. Er biss die Zähne zusammen.
Blanke Wut presste ihm den Magen zusammen. Neben ihm tauchte Rulfan auf. Ihm schien es nicht anders zu gehen: In seinen Augen glühte ein Feuer. Rote Flecken bedeckten seine Wangen.
Aber den Gefährten war klar, dass sie gegen die Übermacht – noch dazu ohne Waffen – nichts ausrichten konnten.
»Fass mich nicht an!«, blaffte Rulfan einen jungen Kasanja an, der ihn zur Eile antreiben wollte. Sofort zückte der ein Messer.
»Schon gut, schon gut! Er will einfach nur nicht angefasst werden«, beschwichtigte Matt den Jungen und legte seinen Arm um Rulfans Schulter. Während sie weitergingen, raunte er seinem Freund zu: »Ruhig Blut! Sobald wir alleine sind, überlegen wir uns, wie wir hier rauskommen. Okay?«
Der Albino nickte.
»Wo ist eigentlich Chira?«, wollte Matt wissen.
Rulfans Gesicht verfinsterte sich. »Keine Ahnung. Als ich zu mir kam, war sie nicht da!« Der Albino wischte sich über die Nase. »Wenn dieser Wanja ihr etwas antut, werde ich ihm seine Eier rösten, das schwöre ich dir!«
***
Im Lager der Dankar herrschte seit den frühen Morgenstunden große Aufregung. Am Abend zuvor war Nabende auf einer Kamshaastute eingetroffen. Er hing besinnungslos im Sattel des Tieres. Von seinem jungen Begleiter keine Spur. Nabende wurde sofort zu dem Allwissenden gebracht.
Inzwischen machte das Gerücht die Runde, dass der junge Krieger, der mit Nabende aufgebrochen war, Phillis gewesen sein soll. Manche behaupteten, die zukünftige Stammesführerin hätte den Kriegsminister verletzt. Andere erzählten wiederum, der Kriegsminister hätte Phillis verschleppt.
Lasoo genoss das Gerede der Leute. Er saß auf einem großen Findling in der Nähe von Mulindwas Zelt. Von hier aus konnte er am besten beobachten, was vor sich ging. Neben ihm kauerte Crocuta.
Der Stammesführer war gerade bei den Reittieren. Er prüfte das Kamshaa, auf dem sein Minister zurückgekehrt war. Seinen Flüchen nach zu urteilen kam er zu dem Schluss, dass es tatsächlich Yamina, die Stute von Phillis war. Nun stapfte er hinüber zu den Unterkünften der Frauen.
Vor einem Zelt mit rotem Baldachin blieb er stehen. Er riss die Stoffbahn zur Seite und verschwand im Eingang.
Der Hyeenaführer knabberte an einem Stück getrockneten Fleisch. Gespannt stierte er zum Zelt hinüber. Wie würde Mulindwa wohl reagieren, wenn er feststellte, dass der Vogel ausgeflogen war? Lasoo grinste stillvergnügt vor sich hin. Er wusste schon lange, dass Phillis das Lager verlassen hatte.
Aber ihn fragte ja keiner!
Als Mulindwa wieder heraus kam, war der Hyeenaführer
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