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204 - An Afras Ufern

204 - An Afras Ufern

Titel: 204 - An Afras Ufern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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enttäuscht: Statt zu brüllen und zu toben, schritt der Stammesführer erhobenen Hauptes hinüber zu der Unterkunft des Allwissenden.
    »Hm«, brummte der Hyeenaführer. Sollte das wirklich alles gewesen sein? Er wollte gerade missmutig von seinem Stein klettern, als Mulindwa plötzlich seinen Namen über den Platz brüllte: »Lasoo, hierher!«
    Der Hyeenaführer warf den Rest seines Fleisches Crocuta zu. »Bleib!«, befahl er und strich dem Alphatier über den breiten Schädel. Er schlug die Richtung zu Iwaskos Zelt ein.
    Als er die Unterkunft des Allwissenden betrat, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen: Mitten im Zelt stand Phillis!
    Lasoo stutzte. Zumindest war es ihr Gewand, ihr blauer Schal und der Gesichtsschleier. Aber wer steckte darunter?
    Lasoos Blick fiel auf Iwasko. Er saß rechter Hand an einem kleinen Tisch und zwirbelte an seinem Bart herum. Der Hyeenaführer glaubte ein spöttisches Lächeln um seinen Mund zu entdecken. Auf der gegenüberliegenden Seite entdeckte er Nabende auf einer Bettstatt. Sein Gesicht wirkte geschwollen.
    Aber es schien ihm schon besser zu gehen. Er saß gegen dicke Kissen gelehnt und hielt in seiner Hand einen Becher.
    Die Augen des Hyeenaführers wanderten wieder hinüber zu der vermeintlichen Phillis. Mulindwa stand neben ihr und begutachtete sie von oben bis unten. Scheinbar war er zufrieden mit dem, was er sah. »Du kannst jetzt gehen«, brummte er. Schweigend verließ die verschleierte Gestalt das Zelt.
    Lasoo vermied es, ihr nachzuschauen. Stattdessen wandte er sich an Mulindwa. »Ihr habt mich gerufen?«
    »Wir werden zur Großen Stadt aufbrechen. Ich brauche dich und deine Tiere! Halte dich bereit!« Mehr sagte der Stammesführer nicht.
    Lasoos Miene erhellte sich. Glücklich, dass große Ereignisse ins Haus standen, nickte er dem Stammesführer zu und schlüpfte aus dem Zelt. Statt gleich zu dem Hügel zu laufen, um seine Hyeenas startklar zu machen, drückte er sich noch eine Weile in der Nähe des Zeltes herum. Er musste nicht lange warten, bis aus dem Inneren Stimmen zu hören waren.
    »Was starrst du mich so an, Nabende? Glaubst du, ich will mein Gesicht vor den Leuten verlieren?«, rief die aufgebrachte Stimme von Mulindwa. »Sie haben mich glauben gemacht, meine Tochter wäre unpässlich und könne ihr Zelt nicht verlassen! Also soll es so sein. Wenn sie jetzt etwas anderes behaupten, bezichtigen sie sich selbst der Lüge.«
    Für eine Weile wurde es still in der Unterkunft. Dann war ein Scharren zu hören. Offenbar zog der Stammesführer sein Kurzschwert. Lasoo hielt den Atem an. Schließlich donnerte die Stimme von Mulindwa: »Ich werde meine Tochter zurückholen! Und dann werde ich sie mit dir verheiraten, Nabende! Ob ihr wollt oder nicht!«
    ***
    Mit ihren Spitzhacken droschen Matt und Rulfan auf die Felsen ein, die sie umgaben. Weiße Brocken fielen zu Boden. Heller Staub bedeckte ihre schwitzenden Körper. Er brannte in den Malen an ihren Armen. Um sie herum bückten sich müde Gestalten, die die abgeschlagenen Brocken in Körben sammelten. An langen Seilen wurden die Behältnisse nach oben gezogen.
    Bei jedem Hieb, den Matt dem Stein versetzte, sah er Wanjas Gestalt vor sich. Trotzdem wurde sein Zorn nicht geringer. Er senkte die Hacke und wischte sich über das schmutzige Gesicht. Seine Füße schmerzten.
    Der Boden des Grubenschachts war übersät mit spitzen Steinsplittern. Der Tunnel war nicht einmal fünf Meter breit, aber in der Länge schien er unendlich. Wie ein trockenes Flussbett wand er sich durch die Erde, gut zehn Fuß unter der Oberfläche. Unzählige Gestalten fraßen sich mit Spitzhacken und Stemmeisen in das Gestein. Von allen Seiten dröhnte das Krachen der Werkzeuge und das Keuchen der Menschen.
    »Hey, weitermachen!«, brüllte eine Stimme von oben.
    Matt legte den Kopf in den Nacken. Die hässliche Fratze eines Kasanjawächters glotzte ihn herausfordernd an.
    Das letzte Mal, dass er auf Russisch angetrieben worden war, hatte er gleichfalls in einem Bergwerk gesteckt und Fronarbeit leisten müssen. Irgendwie schien sich die Geschichte zu wiederholen. Nur dass es hier keinen Boris Lewkov gab, der ihm und Rulfan zur Flucht verhelfen konnte.
    Zähneknirschend hieb Matt seine Hacke aufs Neue in die Felsen. Als er zum dritten Mal ausholte, erklang ein schauriger Heulton. Hörte sich an wie eine rostige Sirene.
    »Schluss für heute!«, riefen die Wächter von oben.
    Die Menschen in der Grube schulterten ihre Werkzeuge und kletterten

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