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2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)

2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)

Titel: 2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorgen Randers
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Gewinnung der knappen Rohstoffe beschäftigt sein – eine Wirtschaftsweise, die an die Sowjetunion der 1950er- und 1960er-Jahre erinnert, als die Schwerindustrie Vorrang genoss, zu Lasten der Produktion von Konsumgütern.
    Auch der gebremste Produktivitätszuwachs wird sich negativ auf den Konsum auswirken. Unglücklicherweise gibt es hier ein Feedback, denn Stagnation im Konsum bremst umgekehrt den Anstieg der Produktivität – wenn auch nicht sofort: Durch die Entlassung eines Arbeiters steigt normalerweise zunächst einmal die Rendite pro verbliebener Arbeitskraft; auf längere Sicht kommt der Effekt aber doch zum Tragen. Wenn der Wirtschaftskuchen im Lauf der Jahre immer langsamer wächst, führt das in der Regel zu einer größeren Ungleichverteilung von Einkommen und Wohlstand. Die Armen verlieren und der Abstand zwischen Arm und Reich vergrößert sich. Dies führt meist zu sozialen Spannungen, in ungünstigen Fällen zu Konflikten – die den Anstieg der Produktivität zwangsläufig bremsen. Mit einer geringeren Produktivitätssteigerung fällt auch das Wachstum des BIP geringer aus, der Kuchen wird kleiner, es gibt mehr Verteilungskämpfe und noch weniger Wachstum. Bis die Abwärtsspirale schließlich durch kluge Politik oder eine wie auch immer geartete Umverteilung durchbrochen wird – zumindest eine Umverteilung der Chancen – bleibt die Gesellschaft in ihrem langsamen Wachstum gefangen.
    Ich fürchte, dieser Zustand wird in den reichen Ländern für etwa eine Generation bestimmend bleiben. Besonders schwer wird es die freien Marktwirtschaften mit niedrigen Steuern und wenig Erfahrung in der Umverteilung treffen. Sowohl Arbeitslosigkeit als auch Ungerechtigkeit werden hier den Produktivitätszuwachs bremsen. Länder mit einem stabilen sozialen Netz werden weniger betroffen sein, da sich Transferleistungen zur Vermeidung von Verwerfungen hier leichter durchsetzen lassen, was den Zuwachs an Produktivität in Gang hält. Dies lässt sich an den hohen Wachstumsraten der sozialdemokratisch (nach Ansicht mancher: sozialistisch) regierten Länder Skandinaviens ablesen, wo hohe Steuerquoten ein umfassendes soziales Netz ermöglichen. Von der Gesundheitsversorgung über Arbeitslosenunterstützung bis zu Mutterschutz, Erziehungszeiten, Bildung und Altenfürsorge wird hier alles Mögliche abgedeckt – wer seine Stelle verliert, wird aufgefangen.
    Den reichen Ländern steht bis 2052 also eine lange und schwierige Zeit mit stagnierendem oder langsam sinkendem Pro-Kopf-Verbrauch bevor. Ich rate Ihnen noch einmal, fragen Sie einen Arbeiter in der Autoindustrie in Detroit, der seit 30 Jahren keine reale Lohnerhöhung erhalten hat, wie er darüber denkt, dass diese Phase noch einmal 40 Jahre andauern soll. Schwerer wiegen allerdings die indirekten Auswirkungen: Durch das langsame Wachstum wird sich die Ungerechtigkeit verstärken, was zu Reibung führt und es noch schwieriger macht, die Produktivität der Arbeitskräfte und damit das BIP zu steigern.
Kurzfristiges Denken
    Dabei muss eine stagnierende Wirtschaft nicht zwangsläufig das Produktivitätswachstum bremsen. Prinzipiell zumindest lässt sich das vermeiden. Wenn man Einkommen und Aufstiegschancen gerechter verteilt, bevor Probleme auftreten, dann sind soziale Unruhen weniger wahrscheinlich. Friedliche Umverteilung war in der Vergangenheit allerdings die Ausnahme und daran wird sich auch in der Zukunft nichts ändern, da derartige Eingriffe in die Gesellschaft in demokratischen wie auch in autoritären Staaten fast ausschließlich an ihrer kurzfristigen Wirkung gemessen werden – anstatt langfristige Vorteile in Betracht zu ziehen. Die Menschheit ist in dieser Hinsicht erschreckend kurzsichtig, weswegen organisierte Umverteilung nur selten angewandt wird, bevor die Not ein kritisches Maß erreicht.
    Doch obwohl die Gesellschaft im Grunde dramatisch in die Verteilung von Einkommen und Wohlstand, die Ausrichtung der Wirtschaft, die Art und Menge der benutzten Energie und den Ausstoß an Treibhausgasen eingreifen könnte, glaube ich nicht, dass dies geschehen wird (bedauerlicherweise). Jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang. Derartige Entscheidungen kosten nämlich zunächst einmal Geld – aber der spätere Nutzen lässt sich zunächst nicht genau voraussehen. Der Mensch scheut vor derartigen Lösungen zurück, wählt lieber den schnellen Erfolg und zahlt später – widerwillig – die Rechnung.
    Wenn ich davon ausgehe, dass auch bei künftigen

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