2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)
genau vorhersagen – wie sich der Arabische Frühling oder der Zusammenbruch der Sowjetunion nicht vorhersagen ließ. Dass sich Einzelheiten nicht genau vorhersagen lassen, macht das Eintreffen einer Prognose aber nicht weniger wahrscheinlich. Die Zeit und die Umstände sind hierfür entscheidend.
Im Verlauf der kommenden vier Jahrzehnte wird eine ganze Reihe von Ungleichgewichten angesprochen werden müssen. Manche Ungerechtigkeiten sind so gravierend, dass es kaum zu glauben ist, dass sie seit Generationen bestehen. Aber schon ein kurzer Blick in die Geschichte zeigt, dass Ungerechtigkeiten über Jahrhunderte – wie im zaristischen Russland – oder Jahrtausende – wie in den chinesischen Dynastien – andauern können, mit einem Kaiser, der mit seiner Familie in einer Fantasiewelt lebt, fernab von der Mühsal von zig Millionen geplagter Kleinbauern. Die Verhältnisse können also noch so ungerecht und aussichtslos sein, sie müssen nicht zwangsläufig zum Aufstand führen – besonders, wenn die herrschende Klasse ihre Privilegien gewaltsam zu verteidigen bereit ist.
Die immer weiter klaffende Schere zwischen der Bezahlung einfacher Arbeiter und ihrer Unternehmensleitung in reichen Ländern ist hier ein interessantes Beispiel. Nichts außer der Tradition veranlasst Aufsichtsräte und Eigner, den Geschäftsführern und Vorständen für ihre Arbeit die derzeit üblichen maßlosen Gehälter zu bezahlen. Diese Arbeit könnte, wenn man das wollte, natürlich ebenso gut von vielen anderen Personen erledigt werden – und für viel weniger Geld, wenn es die Tradition der hohen Bezüge nicht gäbe. Manche behaupten, der Markt diktiere diese Gehälter. Wenn das stimmt, dann ist es ein großartiges Beispiel für das Versagen des Marktes. Zweifellos wäre es dem sozialen Frieden förderlich, wenn die Bezüge der Unternehmensvorstände bescheidener ausfielen.
Dieses Versagen des Marktes lässt sich nur schwerlich korrigieren; dazu müsste ein Absinken der Managergehälter festgeschrieben werden, was nur durch einheitliches Vorgehen einer Gruppe möglich ist, der solch koordiniertes Verhalten fremd ist – der Gruppe der Eigentümer. Der Bock ist aber bereits zum Gärtner gemacht, und zwar in Gestalt der institutionellen Eigner und Manager staatlicher Fonds, die der Insider-Gruppe der Vorstände gefühlsmäßig viel weniger eng verbunden sind. Andererseits wird der Bock viel weniger Wirkung zeigen, wenn es um unverschämte Gehälter im Finanzsektor geht; die Ungerechtigkeit ist dort zwar genau so ausgeprägt, aber hier bekommt unser Bock einen Teil des Profits.
Ein anderer gähnender Abgrund trennt weltweit das Leiden der arbeitslosen Minderheitvom Wohlergehen derbeschäftigten Bevölkerungsmehrheit. Während der vergangenen 40 Jahre war diese Kluft in den Industrieländern durch bessere Unterstützung der Arbeitslosen teilweise geschlossen – meiner Meinung nach eine kluge Entscheidung der arbeitsplatzbesitzenden Mehrheit. Dennoch bedeutet Arbeitslosigkeit für die Betroffenen eine schwere Last und wenn sich das Wachstum in den kommenden 40 Jahren verlangsamt, wird ein immer größerer Anteil der Bevölkerung an dieser Last zu tragen haben. Wenn die Arbeitslosigkeit aber steigt, dann werden höhere und längerfristige Transferleistungen an die Arbeitslosen nötig sein, was für die Arbeitsplatzbesitzer eine höhere Steuerlast bedeutet. Ein demokratisches Parlament mag nicht dazu verpflichtet sein, die Probleme einer Minderheit – in diesem Fall der Arbeitslosen – zu lösen, aber ich sage voraus, dass die Arbeitslosen genügend Aufruhr (um dieses Wort zu benutzen) erzeugen werden, um sich einen größeren Anteil vom Kuchen zu erkämpfen, auch wenn sie beim Backen nicht dabei waren. Der Protest der Griechen gegen die Sparmaßnahmen 2011 war da ein typisches Beispiel.
Ein anderer Sachverhalt wird in den kommenden Jahren immer größere Bedeutung bekommen: Die heutige Generation soll nicht nur für die von ihren Eltern angehäuften Staatsschulden aufkommen, sondern auch für die Altersversorgung der Eltern. Noch bitterer wird diese Pille durch die Tatsache, dass die Jungen dies in Zeiten bewerkstelligen sollen, in denen Wohnraum so teuer ist, dass eine Wohnsituation wie die der Eltern nicht erschwinglich ist. Es sollte mich sehr wundern, wenn diese Spannung nicht durch irgendeine Form »erzwungener Umverteilung« gelöst wird – was nichts anderes bedeutet, als dass jemand sein verliehenes Geld nicht zurückbekommt
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