2070 - In der Sternenkammer
Wolken aus Blütenstaub wurden immer dichter und rochen immer intensiver, immer süßer, und dann vernahm Kalfym Kascha einen ersten Gedanken. Eher eine Emotion. Allumfassende Erleichterung. Und Dankbarkeit. Ihr habt mich gerettet! Kalfym Kascha wusste nicht, was er denken sollte. Am liebsten hätte er gar nichts gedacht. Die Erkenntnis, dass Paumyr mit der Kraft ihrer Gedanken kommunizierte und wahrscheinlich in seinem Geist lesen konnte wie in einem offenen Buch, war erschreckend. Und das, obwohl er sich aufgrund von Rissas Berichten darauf hatte vorbereiten können. Aber dennoch benötige ich von den Dommrathern weitere Hilfe, kam die Pflanzenintelligenz direkt zur Sache, was Kascha bewies, wie dringlich ihr Anliegen sein musste.
„Hilfe?" fragte der Ritter. Er konnte sich leichter konzentrieren, wenn er seine Gedanken wie gewohnt weiterhin in Worte kleidete. „Wie kann ein übermächtiges Wesen wie du unsere Hilfe brauchen?" Ich habe in der rund 844.000 Lichtjahre entfernten Nachbargalaxis Gaansuhr ein Volk in Not ausgemacht, das von mächtigen Feinden bedroht wird. Selbst ich konnte nichts gegen deren Aggressivität ausrichten, denn die Fremden haben angesichts meiner mentalen Fähigkeiten Robotschiffe in großer Zahl eingesetzt. Das Ende des notleidenden Volkes steht unmittelbar bevor - es sei denn, man kann die Intelligenzwesen vor dem nahenden Verhängnis in Sicherheit bringen. „In ... der Nachbargalaxis Gaansuhr?" Ich brauche eine große Raumschiffs flotte, um das Volk in Not zu retten, eine Raumschiffsflotte, die ich nicht habe. Daher bitte ich die Ritter von Dommrath, an ihrer Seite in den drohenden Untergang einzugreifen. „In einen Konflikt einzugreifen?" fragte Kalfym Kascha. „In der Nachbargalaxis Gaansuhr?"
Der Gedanke war unvorstellbar. Die Null, das ist der Mediane Friede! dachte er. Der Ritter suchte nach Worten, aber er wusste, dass ihn seine Gedanken verrieten. Er konnte sie vor Paumyr nicht verheimlichen. Er erläuterte Paumyr die Grundsätze der Medianen Kultur, auch die Gründe der vollständigen Isolation, mit der die Ritter das Land Dommrath zu umgeben versuchten. „Diese Grundsätze lassen kein Eingreifen in der Nachbargalaxis zu, denn damit würden wir letzten Endes nur die eigenen Völker gefährden", schloss er. Aber Paumyr war Paumyr, die Friedensbringerin. Sie hatte nicht nur den Brand im Do'Enbyr gelöscht, sie hatte zahlreiche Unruheherde im Land Dommrath gelöscht und den Boden für den umfassenden Frieden bereitet.
Was sagt dein Gewissen? fragte sich Kalfym Kascha. Es schwieg beharrlich. Außerdem bin ich der Ansicht, fuhr das Pflanzenwesen fort, dass die vielgepriesene Mediane Kultur keineswegs einen Schritt in die richtige Richtung darstellt, sondern eine Sackgasse. Friede sollte sich immer auch mit Freiheit paaren! Erst das mündige Individuum kann wirklich einen dauerhaften Frieden schaffen! „Eine hehre und ehrenhafte These", sagte der Ritter, „für deren Richtigkeit ich und meine Kollegen auf unseren Jahrtausende währenden Reisen jedoch keinen einzigen funktionierenden Beweis gefunden haben." Ich will nicht lange argumentieren. Ich bin von tiefer Sorge getrieben, und jeder Croz zählt. Habt ihr etwa schon vergessen, was ich für den Frieden in der Galaxis Dommrath getan habe? Und nach alledem wollt ihr mir die erbetene Hilfe verweigern?
Kalfym Kascha schluckte. „Ich ... muss mich mit den anderen Rittern besprechen", sagte er. Aber er wusste, dass sie keine Wahl mehr hatten. Sie mussten tun, was die Inzaila verlangte. Paumyr war im Recht und versuchte lediglich, eine zutiefst humanitäre Aktion zu verwirklichen. Wie konnten sie sich da verweigern? Auch wenn er dem Medianen Frieden verpflichtet war und sein Gewissen etwas ganz anderes sagte ...
Fünfzigtausend Schiffe, dachte Kalfym Kascha. Fünfzigtausend Schiffe! Sosehr es ihren Prinzipien der Isolation widersprechen mochte, die Ritter von Dommrath hatten unter seinem Oberbefehl die Legion mit fünfzigtausend Schiffen in die Galaxis Gaansuhr geschickt. Kalfym Kascha hielt sich im Hintergrund, wie es seiner exponierten Stellung entsprach, doch die Schiffe der Legion stürzten sich in eine Schlacht mit fremden Raumschiffen, die ihnen gleichwertig, wenn nicht sogar überlegen waren. Es waren Robotschiffe wie die der Legion.
Kalfym Kascha nahm die Schlacht wahr wie ein Trivid-Spiel, das einer seiner Vorfahren in einer ihm unbekannten, unbedeutenden Galaxis entdeckt und ins Land Dommrath mitgebracht hatte.
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