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2082 - Ein ganz normaler Held

Titel: 2082 - Ein ganz normaler Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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stand. „Ich habe dich rufen hören", sagte er, ohne sich umzudrehen. „Warum hast du dann nicht geantwortet?" fragte Tia. „Warum sollte ich? Ich wusste doch, dass du mich hier finden würdest."
    „In diesen Zeiten wäre ich nicht so unvorsichtig", sagte die junge Frau. „In diesen Zeiten?"
    Der Mann drehte sich zu ihr um, und Tia sah in ein altes, wettergegerbtes Gesicht mit weißen Haaren und weißem Bart. Der Alte hatte offenbar bis jetzt an seinen Bretterverschlägen gearbeitet.
    Ein helles Summen erfüllte nun die Luft. „Nun ja", sagte Tia. „Ich meine ... Hast du die Nachrichten noch nicht gehört?"
    „Ich habe keinen Empfänger", antwortete der alte Mann. „Von welchen Nachrichten sprichst du?" Tia hatte die Antwort schon auf der Zunge. Doch sie brachte es nicht übers Herz, dem alten Mann die Wahrheit über die Aufgabe des Solsystems zu berichten. Er schien glücklich in der Abgeschiedenheit zu sein, wahrscheinlich hatte er sie sogar gewählt. Er war ein Eremit im 14. Jahrhundert Neuer Galaktischer Zeitrechnung, und das forderte seinen Respekt. „Nicht so wichtig", sagte sie deshalb. „Kann ich deinen Namen erfahren?"
    „Ich heiße Plato", sagte der Alte. „Nur Plato."
    „Und ich bin Tia de Mym. Ich freue mich, dich kennenzulernen, Plato. Wie ist es, kann ich in deiner Hütte übernachten? Ich würde dir bestimmt nicht zur Last fallen."
    „Du kannst mein Gast sein", sagte der Alte. „Nur tu mir einen Gefallen und schaffe deine stinkenden Socken nach draußen!" Damit verabschiedete er sich von seinen Verhauen und ging hinüber zur Hütte. Er hatte nicht gefragt, wer sie war und was sie hier in diesem tropischen Ödland suchte. Stinkende Socken!
    Tia de Mym hatte noch nie stinkende Socken besessen. Aber bitte, wenn ihr Gastgeber es durchaus wollte... Das Summen aus den Verschlägen Tia ging vorsichtig näher heran. Und da sah sie etwas, das ihr für einen Moment das Herz stillstehen ließ. „Das hältst du nicht aus", murmelte sie. „Bienen!" Dieser alte Mann, Plato, war ein Imker! Und das war das Beste, was Tia de Mym hatte begegnen können.
    Plato hatte einen einfachen, batteriebetriebenen Lichtspender auf dem Tisch aufgestellt, der das Innere der Hütte leidlich gut erhellte. Er saß auf einem selbstgezimmerten Stuhl und schnitt mit einem Messer Brot. Tia staunte. Sie konnte sich gut vorstellen, ja war fast sicher, dass er es selbst gebacken hatte. Vor ihm auf der Tischplatte standen Gefäße mit Fett, Fleischkonserven und Honig. Tia, die auf ihrem Schlafsack am Boden hockte, beobachtete schweigend, wie der alte Mann sich sein Abendbrot zubereitete. Der Schein des Lichtspenders, der nahe vor ihm stand, zeichnete die Konturen seines Gesichts nach.
    Wie viele Jahre mochte er auf dem Buckel haben? Wie lange lebte er schon hier draußen, abgeschnitten von der Zivilisation? Tia glaubte in seinen Augen eine tiefe Weisheit zu sehen.
    Seine Falten waren tief eingegraben. Die junge Frau hatte hundert Fragen an Plato, aber sie wusste, dass es vorerst besser war, zu schweigen. Er würde von sich aus den Anfang machen, wenn die Zeit da war. Jetzt schwieg er noch, wie er vielleicht viele Jahre über geschwiegen oder nur mit seinen Bienen geredet hatte.
    Was hatte ihn in diese Einsamkeit getrieben? War es etwas gewesen, was ihn so tief verletzt hatte, dass er der Gesellschaft anderer Menschen so weit wie möglich entsagt hatte? War er in den Zeiten der Simusense aufgewachsen und war mit der Umstellung nach Ende der Monos-Diktatur nicht fertig geworden?
    Plato reichte ihr eine mit Honig geschmierte Scheibe von seinem Brot. Sie nickte dankbar, griff zu.
    Sie besaß gemischte Gefühle, was diese Art von Hausmannskost anbetraf, aber als sie hineinbiss, stellte sie zu ihrer Überraschung fest, dass es ihr so 'gut schmeckte wie lange nichts mehr.
    Selbstgebackenes Brot, von den eigenen Bienen gelieferter süßer Honig - das war etwas anderes als ihre Dosenkost und die Konzentratwürfel, von denen sie sich sonst auf ihren Touren ernährte. „Es schmeckt ausgezeichnet", sagte sie, als sie aufgegessen hatte. „Du stellst das alles selbst her? Auch die Fleischkonserven?"
    „Mmmh", machte der alte Mann nur. „Das heißt, du gehst auch jagen? Manchmal?"
    „Mmmh..." Tia seufzte. „Ich merke, ich frage zuviel. Dabei hatte ich mir vorgenommen ..."
    Schweigend aß er, schweigend sah sie ihm dabei zu. Am Ende gab er ihr noch eine Scheibe Brot mit Honig. Dann stand er auf, entkleidete sich bis auf die graue

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