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21 - Die achte Flotte

21 - Die achte Flotte

Titel: 21 - Die achte Flotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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wissen, dass seine Familie schon vor dem Anschluss sehr viel auf Dresden investiert hatte. Sie ist Mehrheitseigentümer von drei unserer großen Baufirmen, und sie könnte sich durchaus mehr um die Menschen kümmern, die für sie arbeiten. Sie könnte sich Gedanken machen um die Arbeitsunfälle, um die langfristigen Gesundheitsschäden oder darum, den Familien ihrer Beschäftigten − wenigstens den Kindern, um Gottes willen! − Zugang zu Prolong zu verschaffen!«
    Die Tiefe ihres Zorn überflutete Gervais mit einer reinen, verzehrenden Energie, und er musste alle Kraft zusammennehmen, um nicht vor ihr zurückzuzucken. Kein Wunder, dass Van Scheldt so wenig Mühe hatte, sie an einem wunden Punkt zu treffen.
    Und dass er es offenbar so sehr genießt, zeigt deutlich, dass er ein viel größerer Mistkerl ist, als ich zuerst dachte. In seiner Freizeit zupft er wahrscheinlich Fliegen die Flügel aus.
    »Es tut mir leid, das zu hören, besonders das über Ihre Familie«, sagte Archer leise. »Und Sie haben recht − das kann ich mir eigentlich gar nicht vorstellen, und erlebt habe ich es auch nicht. Meine Geschwister und meine Eltern, sogar meine Großeltern, sind Prolong-Empfänger. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich reagieren würde, wenn ich es bekommen hätte und keiner von ihnen. Wenn ich wüsste, dass ich sie alle verlieren würde, ehe ich auch nur in die ›mittleren Jahre‹ gekommen wäre.« Er schüttelte den Kopf mit düsterem Blick. »Aber ich kann verstehen, warum so ein Arschloch wie Van Scheldt Ihnen zusetzt. Und obwohl ich wirklich nicht behaupten könnte, ihn zu kennen, brauche ich ihn auch gar nicht zu kennen, um zu merken, wie er so etwas genießt. Was zusammengenommen mit dem, was Sie gerade über die Beteiligung seiner Familie an der Wirtschaft Ihres Planeten gesagt haben, ihn als noch kränkeren Bastard dastehen lässt, als ich zunächst dachte.«
    Helga zuckte bei dem harten, kalten Abscheu − der Verachtung − in seiner Stimme zusammen. Bei Personen wie Van Scheldt hatte sie schon viel Verachtung erlebt, doch diesmal war es anders. Sie richtete sich nicht gegen Menschen, die der Sprecher »von Natur aus unterlegen« dünkte, und sie war weder kleingeistig noch herabsetzend. Vor allem war sie aus Zorn entstanden, nicht aus Arroganz. Aus Empörung, nicht aus Hochmut.
    Oder wenigstens klang es so. Dresden hatte jedoch auf die harte Tour gelernt, dass der äußere Anschein trügen konnte, warnte sie sich.
    »Wirklich?«, fragte sie.
    »Wirklich«, antwortete er und war selbst verwundert über die eiserne Sicherheit in seiner Stimme.
    Im Hinterkopf fragte er sich, was er da eigentlich tat, wenn er Begriffe wie »kranker Bastard« benutzte, um jemanden, den er kaum kannte, jemandem zu beschreiben, mit dem er kaum ein Wort gewechselt hatte. Dennoch, es traf zu. Er hatte den selbstgefälligen Sadismus erkannt, den jemand brauchte, um es zu genießen, wenn er ein Opfer der ausbeuterischen Gier und Unterlassung seiner eigenen Familie verhöhnte.
    »Ich möchte Ihnen gerne glauben«, sagte sie schließlich langsam. Ihr Dresdener Akzent war so rau wie immer, und doch wirkte die Rauheit jetzt eigentümlich geglättet, fand Gervais. Oder vielleicht war das Wort, nach dem er suchte, eher »besänftigt«. »Das möchte ich wirklich. Aber wir auf Dresden sind damit schon hereingefallen. Ich glaube, wir haben viel zu lange gebraucht, um zu begreifen, dass wir gar nichts hätten glauben dürfen. In den letzten beiden Generationen haben wir eine Menge geleistet, aber nur, weil Menschen wie Minister Krietzmann begriffen haben, dass wir es selbst tun müssen. Weil ihnen klar ist, dass es niemand auch nur ein bisschen kümmert, was aus uns wird.
    Verstehen Sie mich nicht falsch.« Sie schüttelte den Kopf, und ihre Stimme hatte sich beruhigt, als bekäme sie ihre Leidenschaft allmählich in den Griff. »Es besteht kein Grund, weshalb jemand, der nicht von Dresden kommt, uns Freifahrkarten schenken sollte. Uns ist das klar. Wohltätigkeit beginnt zu Hause, heißt es, und Dresden ist unser Zuhause und nicht das von Rembrandt oder San Miguel oder von Manticore. Mir geht es weniger darum, dass niemand kam und uns kostenlos Kliniken und Schulen hingestellt hat, sondern dass wir mit Zähnen und Klauen darum kämpfen mussten, von dem Gewinn unserer eigenen Arbeit, unserer eigenen Industrie − wir hatten schließlich nur ein paar veraltete Anlagen − soviel behalten zu dürfen, dass wir eigene Kliniken und Schulen bauen

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