21 - Die achte Flotte
Minenfeld gelaufen bin?
Er sah sie mehrere Sekunden lang an und bemerkte dabei, dass hinter der Wut in ihren Augen eine tiefere Düsterkeit stand. Eine Düsterkeit, die durch eine Erinnerung dorthin gekommen war, durch eine persönliche Erfahrung. Er war sich nun sicher, dass Helga keineswegs eine Frau war, die sich leicht einem Vorurteil unterwarf oder ihm gestattete, ihr Leben zu bestimmen. Wenn das stimmte, dann musste mehr hinter der Bitterkeit stecken, diesem Schatten des Schmerzes, als nur die beiläufige Arroganz und amüsierte Bosheit einer Drohne wie Van Scheldt.
»Das will ich gar nicht bestreiten«, sagte er schließlich. »Ich habe mir Mühe gegeben, mich so gut über Talbott zu informieren, wie ich konnte, seit Lady Gold Peak mich als ihren Flaggleutnant ausgesucht hat und wir erfuhren, dass wir hierher müssen. Trotzdem will ich nicht behaupten, dass ich wirklich gerne sehr viel darüber wüsste, wie es hier in der Vergangenheit zuging. Ich arbeite daran, doch es gibt da furchtbar viel zu lernen, und ich hatte bisher einfach nicht die Zeit, mich wirklich darin zu verbeißen. Für mich ist offensichtlich, dass Sie und Van Scheldt füreinander sind wie Hund und Katze, aber ich hatte angenommen, dass er persönlich etwas getan haben musste, mit dem er Sie beleidigt hat. Schließlich ist er weiß Gott genau die Sorte Esel, die so etwas tun kann, ohne es zu bemerken! Aber was Sie gerade gesagt haben verrät mir, dass mehr dahinter steckt. Ich möchte nicht schnodderig sein, und wenn Sie lieber nicht darüber reden wollen, dann akzeptiere ich das. Aber wenn es etwas ist, das ich wissen und worüber meine Vorgesetzte informiert sein sollte, damit wir nicht unbeabsichtigt das Gleiche tun, wüsste ich es wirklich zu schätzen, wenn Sie meinen Horizont, was den Quadranten angeht, ein bisschen erweitern könnten.«
Mein Gott, ich glaube, das ist ihm wirklich ernst!, dachte Helga. Sie blickte ihn mehrere Herzschläge lang an, die Stirn ganz leicht gerunzelt, und spürte, wie die Entscheidung fiel.
Er möchte wissen, wieso ich empfinde, was ich empfinde? Möchte verstehen, wieso wir nicht alle auf der Straße tanzen, nur weil ein neuer Haufen Oligarchen glaubt, uns ausbeuten zu können? Also gut. Ich sage es ihm.
»Na schön, Lieutenant. Sie wollen wissen, wieso Van Scheldt und ich einander nicht ausstehen können? Na, dann passen Sie mal auf.« Sie verschränkte die Arme, baute sich, eine Hüfte vorgeschoben, vor ihm auf, und sah mit funkelnden blauen Augen zu ihm hoch. »Ich bin sechsundzwanzig T-Jahre alt und habe meine ersten Prolong-Behandlungen erst erhalten, als ich vergangenes Jahr meine Stelle bei Minister Krietzmann antrat. Wäre ich drei T-Monate älter gewesen, wäre ich für die Erstgenerationsbehandlung schon zu alt gewesen − genau wie meine Eltern. Wie meine beiden älteren Brüder und meine drei älteren Schwestern. Genau wie alle meine Cousins und Cousinen bis auf sechs und alle meine Tanten und Onkel. Aber nicht Mr. Van Scheldt. O nein! Er ist von Rembrandt! Er bekam die Behandlung, weil er dort geboren ist und weil seine Eltern sind, wer sie sind − weil er von diesem Planeten kommt; und ganz genau so läuft es bei Ihnen, Lieutenant. Und das Gleiche gilt für seine Eltern und alle seine Geschwister. Genau wie sie anständige medizinische Versorgung und eine ausgewogene Ernährung bekamen.«
Ihre Augen funkelten nicht mehr, sie brannten, und ihre Stimme klang viel rauer, als je durch ihren Akzent hätte erklärt werden können.
»Wir auf Dresden mögen die Grenzsicherheit genauso wenig wie irgendjemand sonst im Sternhaufen. Und sicher, nach allem, was wir über Manticore gehört haben, bekommen wir von Ihrem Sternenkönigreich ein besseres Geschäft, als es beim OFS je denkbar wäre. Aber wir wissen genau, wie es ist, ignoriert zu werden, Lieutenant Archer, und bei uns auf Dresden macht man sich keine Illusionen. Ich bezweifle, dass das Sternenkönigreich uns so ausbeuten wird, wie die Grenzsicherheit, die Liga und der Handelsbund Rembrandt es getan haben, aber die meisten von uns sehen die ökonomischen Anreize, die der Konvent uns versprochen hat, mit sehr großen Vorbehalten. Wir wollen gern glauben, dass es wenigstens einigen unserer Nachbarn ernst war, aber wir sind nicht so blöd, dass wir an Altruismus glauben oder an die Zahnfee. Und falls jemand von uns doch dazu neigen sollte, gibt es im Sternhaufen genügend Paul Van Scheldts, um uns eines Besseren zu belehren. Sie müssen
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