21 - Die achte Flotte
Admiral, und wie gering Ihre Königin vielleicht von uns denkt, wir sind nicht Rob Pierre oder Oscar Saint-Just. Verstehen Sie mich nicht falsch, wir haben unsere Fehler. Aus den Augen zu verlieren, dass auch Feinde Menschen sind, gehört meiner Meinung nach nicht zu ihnen. Guten Tag, Admiral Henke.«
Michelle senkte das Buchlesegerät, als es leise an ihrer Krankenzimmertür klingelte.
»Ja?«, sagte sie und drückte die Taste an ihrem Nachttischcom.
»Kriegsminister Theisman ist hier, Admiral«, hörte sie die ein klein wenig nervöse Stimme von Lieutenant Jasmine Coatworth, der Oberschwester ihres Flurs. »Wenn es Ihnen recht ist, bittet er Sie um einige Minuten Ihrer Zeit.«
Michelle hob die Augenbrauen. Der unerwartete Besuch Eloise Pritcharts lag etwas über eine Woche zurück. Während dieser Zeit hatte sie eine Handvoll weiterer Besucher empfangen, die meisten jedoch verhältnismäßig rangniedere Offiziere, die sie aufsuchten, um ihr in ihrer Eigenschaft als ranghöchste manticoranische Kriegsgefangene über den Zustand ihrer Leute und der anderen gefangenen Manticoraner zu berichten. Die Offiziere waren ausnahmslos professionell und höflich gewesen, doch sie hatte eine gewisse unvermeidliche Zurückhaltung empfunden, die über die normale Zurückhaltung eines untergeordneten Offiziers in Gegenwart eines Admirals hinausging. Niemand hatte indes die Möglichkeit erwähnt, dass Thomas Theisman sie persönlich aufsuchen könnte.
»Nun, Jasmine«, antwortete sie nach einem Augenblick mit einem Lächeln, das sie nicht ganz unterdrücken konnte (allerdings gab sie sich auch keine große Mühe), »dann lassen Sie mich einmal in meinen Kalender sehen.« Sie hielt einen Atemzug lang inne, während ihre Augen amüsiert tanzten, dann räusperte sie sich. »Durch einen höchst merkwürdigen Zufall habe ich heute Nachmittag ein wenig Zeit«, sagte sie. »Bitten Sie den Minister herein.«
Ein Moment völliger Stille folgte. Dann glitt die Tür auf, und Lieutenant Coatsworth sah in das Zimmer. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht bedeutete fast das Ende von Michelles Selbstbeherrschung, die beinahe in schallendes Gelächter ausgebrochen wäre, sich jedoch gerade noch zügeln konnte. Dann wanderte ihr Blick zu dem untersetzten, braunhaarigen Mann in Zivilkleidung, den ein dunkelhaariger weiblicher Captain der Navy begleitete, deren Abzeichen sie als persönliche Adjutantin eines hohen Offiziers auswies.
»Ich freue mich, dass Sie es einrichten konnten, Admiral«, sagte der Braunhaarige trocken. Um seine Lippen schien ein Grinsen zu zucken, und Michelle schüttelte den Kopf.
»Verzeihen Sie mir, Minister Theisman«, sagte sie. »Man hat mir schon mehrmals gesagt, mein Sinn für Humor sei merkwürdig. Unter diesen Umständen konnte ich der Versuchung einfach nicht widerstehen.«
»Was vermutlich ein Zeichen dafür ist, dass ich niemanden maßregeln muss, weil er kriegsgefangene Patientinnen schikaniert oder misshandelt.«
»Im Gegenteil«, sagte Michelle in ernsterem Ton. »Alle in diesem Lazarett − besonders Lieutenant Coatsworth − haben unsere Verwundeten ganz genau so behandelt, wie sie jemanden von den eigenen Leuten behandeln würden. Ich bin sehr beeindruckt von ihrer Dienstauffassung und ihrer Liebenswürdigkeit.«
»Gut.«
Theisman trat in den Raum, sah sich einmal um, als wolle er sich persönlich überzeugen, dass das Zimmer für einen Admiral angemessen war, dann wies er auf den Stuhl am Bett.
»Darf ich?«
»Aber natürlich. Wie ich Präsidentin Pritchart bereits erläuterte, als sie die gleiche Frage stellte: Es ist Ihr Lazarett, Minister Theisman.«
»Davon hat sie mir gar nichts erzählt«, sagte er. Er setzte sich, lehnte sich zurück und schlug die Beine über. »Trotzdem haben Sie wohl nicht ganz unrecht.«
Er lächelte ihr zu, und fast widerwillig erwiderte Michelle sein Lächeln.
Thomas Theisman erinnerte sie sehr an Alistair McKeon, überlegte sie, während sie den Mann musterte, der leger auf dem Stuhl saß, während seine Adjutantin versuchte, sich nicht zu nah an ihren Vorgesetzten zu stellen, den sie ganz offensichtlich mehr als nur gern hatte. Weder Theisman noch McKeon konnte man einen Riesen nennen − wenigstens nicht körperlich. Beide jedoch hatten sie einen ruhigen Blick; Theismans Augen waren braun, McKeons grau. Beide strahlten sie eine Art unerschütterliche Tüchtigkeit aus, und beide − so ungern Michelle es auch eingestand − umgab die gleiche Aura stiller,
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