21 - Die achte Flotte
einen sehr schalen Trost.
Ich und meine gottverdammt brillante Idee, dachte sie, hart gegen sich selbst. Sicher, wir haben sie nach Strich und Faden fertiggemacht, aber mein Gott! Kein Wunder, dass sie dachten, wir hätten sie absichtlich angelockt und dann die Räumung des Schiffes so abgepasst, dass wir sie damit von der Bedrohung ablenken! An ihrer Stelle hätte ich weiß Gott genau das angenommen.
Nicht zum ersten Mal ging sie diese peinigenden Gedanken durch. Und längst nicht zum letzten Mal, so viel wusste sie bereits. Nur wenn ihr Gewissen ihr nicht zusetzte, wusste die kühl und logisch denkende Taktikerin in ihr, dass in der gnadenlosen Rechnung des Krieges die Vernichtung zweier feindlicher Schlachtkreuzer und die Beschädigung von drei weiteren zur Abwrackreife den Verlust so vieler Menschenleben ausglich.
Wenigstens, dachte sie weiter, haben mir die Leute am Ende geglaubt. Oder ich nehme es wenigstens an. Vielleicht habe ich Alex und zu viele ihrer Leute in den Tod geführt, aber immerhin hat kein Einziger der Überlebenden auch nur die Befürchtung geäußert, wir könnten irgendwelche »Vergeltungsmaßnahmen« zu spüren bekommen. Es hätte mich wahrscheinlich nicht so sehr überrascht, wenn ich genauer auf das geachtet hätte, was Honor über Theisman und Tourville erzählt hat.
Noch immer konnte sie sich nicht genau erinnern, wie Stackpole und Braga sie in den Beiboothangar gebracht und von der Ajax geschafft hatten, ehe die rachsüchtigen havenitischen Mehrstufenraketen den Schlachtkreuzer in Stücke rissen. Die erste Salve hatte das Schiff wie mit Vorschlaghämmern getroffen, ehe sie den Beiboothangar erreicht hatten, und eine der Erschütterungen hatte Michelle von den Füßen gerissen und wie eine Puppe gegen ein Schott geworfen. Irgendwie hatten Stackpole und Braga sie in den Beiboothangar geschleppt und an Bord der letzten Pinasse gebracht, die das Schiff verließ. Sie waren die beiden einzigen Offiziere ihres Stabes, die die Vernichtung der Ajax überlebt hatten.
Aber die Ajax ist den Havies nicht in die Hände gefallen, und das war es wert. Da bin ich mir sicher, dachte sie bitter. Dann besann sie sich, dass im Augenblick ganz andere Sorgen anstanden.
»Welchem Umstand habe ich die Ehre Ihres Besuches zu verdanken, Madame Präsidentin?«, fragte sie und schob die nutzlosen Wenns und Hättes und die Selbstanklage rigoros beiseite.
»Mehreren. Erstens sind sie unsere ranghöchste Kriegsgefangene, und zwar in mehrerlei Hinsicht. Sie sind militärisch gesehen der ranghöchste Offizier, und außerdem sind Sie … was? Die Fünfte in der Erbfolge?«
»Seit der Ermordung meines älteren Bruders, ja«, antwortete Michelle ruhig, und ihr wurde die Genugtuung zuteil, dass Pritchart ganz leicht zusammenzuckte.
»Der Tod Ihres Vaters und Ihres Bruder tut mir aufrichtig leid, Admiral Henke«, antwortete sie ruhig und sah, während sie sprach, Michelle offen in die Augen. »Aus den Akten, die uns vorliegen, geht hervor, dass die Systemsicherheit tatsächlich für dieses Attentat verantwortlich war. Die Fanatiker, die es ausgeführt haben, sind zwar Masadaner gewesen, aber die SyS hat sie angeworben und mit Waffen versorgt. Soweit wir feststellen konnten, sind alle Personen, die direkt an der Entscheidung, diese Operation auszuführen, beteiligt waren, entweder tot oder hinter Gittern. Nicht«, fuhr sie fort, als Michelle ungläubig die Brauen wölbte, »wegen dieser speziellen Operation, sondern wegen eines ganzen Katalogs an Verbrechen, die sie an der Bevölkerung ihrer eigenen Sternnation begangen haben. Auch wenn es Ihren Zorn und Ihre Trauer wohl nicht mindert, möchte ich darauf hinweisen, dass diese Menschen für den Tod von unzähligen Tausenden − nein Millionen − ihrer eigenen Bürger verantwortlich waren. In der Republik Haven gab es von solchen Männern und Frauen mehr als genug.«
»Das glaube ich Ihnen«, erwiderte Michelle, während sie ihr Gegenüber sorgsam musterte. »Aber anscheinend haben Sie deren Methoden nicht so ganz abgeschworen.«
»In welcher Hinsicht?«, fragte Pritchart ein wenig scharf und kniff die Augen zusammen.
»Ich könnte zum Beispiel auf Ihre Diplomatie unmittelbar vor dem Krieg zu sprechen kommen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns darüber nicht einig werden«, antwortete Michelle. »Also beschränke ich mich darauf, auf Ihren Mordanschlag gegen die Herzogin von Harrington hinzuweisen. Die, wie ich Sie erinnern darf, zufällig eine enge
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