21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
geschah weiter?“
„Etwas, worüber ich von Herzen lachen mußte. Nämlich als die Ruderer das Gleichgewicht ihres Fahrzeugs wieder hergestellt hatten, riefen sie dir nach. Sie befahlen dir zunächst, augenblicklich zurückzukehren, in welchem Fall sie dir deinen ganz aussichtslosen Fluchtversuch verzeihen wollten. Als sie dann sahen, daß dein Verstand nicht so weit reichte, die erhabene Vortrefflichkeit dieses ihres Vorschlags einzusehen, griffen sie zur Bitte. Sie flehten zu dir, doch zurückzukehren und sie nicht unglücklich zu machen, da es ihnen sehr schlecht ergehen würde, wenn sie bloß mich allein abliefern könnten. Ich erbarmte mich ihres Jammers und tröstete sie, indem ich ihnen sagte, daß meine Person ohne die deinige einen viel größeren Wert besitze, als wenn du dich bei mir befändest.“
„Ich danke dir!“
„Bitte! Sie waren nicht einsichtsvoll genug, mir dies zu glauben, und klagten noch eine ganze Weile fort, bis sie zu der Erkenntnis kamen, daß es dir im Wasser wahrscheinlich viel besser als bei ihnen gefalle; da ruderten sie weiter, und zwar mit großer Eile, denn sie glaubten, je eher sie zum Säfir kämen und ihm deine Flucht meldeten, desto leichter werde es ihm, dich wieder zu fangen. Wir kamen aus dem Fluß in den Kanal und auf demselben dann an das Ziel. Einer von ihnen ging fort, der andere blieb bei mir, um mich zu bewachen, obgleich ich alt und verständig genug war, selbst dafür zu sorgen, daß ich nicht aus dem Korb weggestohlen wurde. Dann holte man mich, wobei man die Vorsichtsmaßregel traf, mir die Augen zu verbinden. Ich wurde getragen, lange Zeit und weit, sehr weit. Als man mich endlich niedergelegt und mir die Binde wieder weggenommen hatte, lag ich da, wo du mich gefunden hast, und der Säfir stand vor mir.“
„Er allein?“
„Nein. Ein kleiner Kerl war dabei. Und nun geschah etwas, was ich nicht begreifen kann, und so wird also wohl auch dein Scharfsinn nicht ausreichend sein, mir eine Erklärung zu geben.“
„Was war es?“
„Der Kleine zeigte eine ganz überraschende Sehnsucht nach meinen Kleidern. Womit willst du dieses Verlangen begründen, Sihdi!“
„Ich kenne den Grund und sage dir ihn später. Erzähl nur weiter!“
„Man nahm mir die Fesseln ab und forderte von mir, daß ich mich ausziehe; ich weigerte mich natürlich; da wurde ich mit Prügeln bedroht. Da ich jetzt die Hände frei hatte, hätte ich mich wehren können, aber der Säfir stand mit der auf mich gerichteten Pistole vor mir und drohte, mich zu erschießen, wenn ich nicht gehorche. Da war nichts zu machen. Ich mußte mich fügen, doch nicht ohne daß ich eine Bedingung stellte.“
„Welche?“
„Ich erklärte ihnen, daß ich der Mann einer geliebten Frau und der Vater eines Sohnes sei, und also die Pflicht habe, auf die Erhaltung meiner Gesundheit stets bedacht zu sein; hier aber, in diesem Gewölbe, könne ich in unbekleidetem Zustand von einer Buruda (Erkältung) befallen werden, auf welche ein ungeheurer Raschh (Schnupfen) und Sa'li (Husten) zu befürchten sei; ich könne also den Wunsch des kleinen Menschen nur dann erfüllen, wenn mir erlaubt werde, nach Ablegung meines Anzuges die Schönheit meiner Glieder mit den seinigen zu umhüllen. Dies gab der Säfir zu, wahrscheinlich nicht aus ängstlicher Rücksicht auf mein Wohlbefinden, sondern um die Sache abzukürzen. Während des Umziehens wollte er allerlei von mir wissen und erfahren; ich sagte ihm aber, daß er sich an dich wenden solle; du werdest ganz gewiß kommen und ihm die gewünschte Auskunft mit Vergnügen geben. Damit mußte er sich begnügen. Als ich wieder gefesselt worden war, entfernten sie sich, und ich befand mich nun eine ganze Ewigkeit mit mir allein, was zwar unstreitig die geeignetste Gesellschaft für mich war, mir aber sehr wenig Unterhaltung brachte. Ich machte unausgesetzte Versuche, mich von den Banden zu befreien, hatte aber nicht den geringsten Erfolg. Dann hörte ich, daß man einen andern Gefangenen brachte, der unausgesetzt jammerte und um Mitleid bat. Er wurde nicht zu mir, sondern an einen andern Ort geschafft. Wer es war, das weiß ich nicht.“
„Es ist der Pischkhidmät Baschi.“
„Der? So ist der Überfall seiner Karawane gelungen?“
„Ja. Seine Begleiter sind alle erstochen worden.“
„Allah! Aber er ist selbst schuld; warum hat er unsere Warnung verachtet! Dieser Mann ist ein großer Feigling; er wimmerte wie ein Kind, in dessen Mund der Disch agryssy (Zahnschmerz)
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