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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wohnt. Als ihm sein Platz angewiesen worden war, kam man zu mir, um nachzusehen, ob ich noch fest gebunden sei, und dann verging wieder eine lange, lange Zeit, bis der Säfir und der Kleine wiederkamen und der Wiederumtausch der Anzüge erfolgte. Das Bewußtsein, wieder in meinen eigenen Kleidern zu stecken, erfreute und beruhigte mich so sehr, daß ich selig entschlummerte und so lange schlief, bis die beiden vorhin wiederkamen. Ich war sehr aufgebracht darüber, daß sie mich aus dem Schlaf weckten, und hielt es nicht für notwendig, sie über diesen meinen Zorn im unklaren zu lassen. Der Säfir wurde grob, und so kam es, daß wir in keinem traulichen Einvernehmen voneinander schieden und ich ihm meine Karbatsch in Erwähnung brachte. Nach einiger Zeit fiel ein Schuß. Wer schießt, der ist bewaffnet, der ist ein Feind; ein bewaffneter Feind hier im Innern des Birs Nimrud aber, der konntest nur du sein, und so rief ich deinen Namen, damit du wissest, wo ich zu suchen und zu finden sei. So, jetzt weißt du, was du wissen wolltest, und nun wollen wir dem Säfir das Vergnügen, uns so schön beisammen zu sehen, nicht länger vorenthalten. Wenn man einem Menschen eine Freude machen kann, soll man es tun, und ich sehe schon vorher im Geiste das vor Wonne strahlende Angesicht, mit welchem er uns entgegenblicken wird. Übrigens bemerke ich soeben, indem ich in meine Taschen greife, daß der kleine Mensch sie leer gemacht hat. Ich werde meine Peitsche ersuchen, ihm in aller Freundlichkeit mitzuteilen, daß der Urheber meines Gewandes diese Taschen nicht für andere Menschen, sondern nur für mich angefertigt hat. Komm!“
    Als wir nun in den Raum Nummer Fünf traten, hockte der Kammerherr wie ein verscheuchter Vogel in der Ecke und empfing uns mit den Worten:
    „Subhanullah – Gott sei gelobt, daß du endlich wiederkommst, Effendi! Ich habe eine wahre Todesangst ausstehen müssen!“
    „Weshalb?“ fragte ich.
    „Dieser schreckliche Säfir hat mich mit fürchterlichen Drohungen überschüttet.“
    „Was hat dich veranlaßt, mit ihm zu sprechen! Er konnte dich doch nicht sehen!“
    „Aber er hörte mich!“
    „Wärst du doch still gewesen!“
    „Du hast recht. Aber als ihm das Bewußtsein zurückkehrte, fragte er, ob jemand hier sei, und ich antwortete ihm. Seit dieser Zeit peinigt er mich mit der Drohung, daß es mir unendlich grausam ergehen werde, wenn ich ihn nicht während deiner Abwesenheit losbinde.“
    „Und das hat dir Angst gemacht? Sei überzeugt, daß dieser Mensch vollständig ungefährlich ist!“
    Halef hatte zunächst nur für seinen am Boden liegenden Doppelgänger Aufmerksamkeit. Er stellte sich breitspurig vor ihn hin und redete ihn an:
    „Erlaube, daß ich dich begrüße, geliebter Freund meiner Seele! Ich bin dir unendlich zugetan, obgleich ich eigentlich gar nicht mit dir sprechen wollte, weil ich durch deine Undankbarkeit in so große Betrübnis versetzt worden bin. Du weißt wohl, was ich meine?“
    Der Angeredete antwortete nicht und bewegte sich auch nicht.
    „Du schweigst?“ fuhr Halef fort. „Sihdi, sei so gut, und leuchte ihm einmal in die Lieblichkeit seines Angesichts! Ich habe das große Verlangen, mich an der Herzlichkeit seines Lächelns zu erquicken.“
    Als ich dieser Aufforderung folgte und den Schein des Lichts auf das Gesicht des Kleinen fallen ließ, ohne selbst genau hinzusehen, rief Halef aus:
    „Was ist das! Wodurch kam er zum Fall, Sihdi?“
    „Durch einen Hieb von mir.“
    „So hast du ihn erschlagen! Das ist das Gesicht nicht eines Bewußtlosen, sondern eines Toten!“
    Da betrachtete ich den Mann genauer. Sein Unterkiefer war weit heruntergefallen; der Mund stand offen, die Augen lagen gläsern, leblos, starr und unbeweglich in ihren Höhlen. Ich rüttelte ihn und untersuchte ihn, als dies keinen Erfolg hatte, sorgfältig.
    „Lebt er doch noch?“ fragte Halef.
    „Nein, er ist tot“, mußte ich sagen, indem ich mich wieder aufrichtete.
    „So ist es so, wie ich sagte: Du hast ihn erschlagen. Dein Hieb war für einen stärkeren Mann berechnet; du hast zu weit ausgeholt. Aber schau nicht so ernst drein! Nicht du bist es gewesen, sondern Allah war es, der deine Hand führte. Du bist kein Mörder, kein Totschläger, sondern der Rächer seiner Taten. Wer war es, der vorhin schoß?“
    „Er.“
    „Auf wen?“
    „Auf mich.“
    „Hat er dich getroffen?“
    „Nein.“
    „So sei ruhig; du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen! Er wollte dich umbringen, indem er

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